: Schutz vor „Berliner Willkür“
betr.: „Schafft die Länder ab“, Kommentar zum Föderalismus von Christian Rath, taz vom 13. 6. 05
Sie beschreiben einen wichtigen Reformansatz! Als „Beratender Ingenieur für Bauwesen“ (Statiker) kann ich auch nicht nachvollziehen, warum in Berlin eine andere Bauordnung gilt als in Brandenburg! Als ich in Schleswig-Holstein die Statik für ein Doppelhaus aufstellen wollte, musste ich sogar bei der Ingenieurkammer Schleswig-Holstein die Mitgliedschaft beantragen (mit beglaubigten Kopien der Zeugnisse, Gebühren usw.!), obwohl ich in Berlin Mitglied der Baukammer bin. In Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein gelten die gleichen Normen, die Unterschiede in den Bauordnungen (Abstandsflächenregelung, Definition der Vollgeschossigkeit usw.) sind sachlich nicht durch landesspezifische Unterschiede zu begründen. Hier wären evtl. nur kurze landesspezifische Zusätze zu einer generellen Musterbauordnung wünschenswert. NORBERT VOSS, Berlin
Kann es denn nicht sein, dass wir Wähler nicht „abstrafen“, sondern genau das wollen, dass nämlich in Bund und Ländern unterschiedliche Parteien die Regierung stellen. Wenn zum Beispiel die Bundesregierung ihren Spielraum wirklich ausnützte, der ihr auch vom Bundesverfassungsgericht eingeräumt wurde, dann sähe das mit dem ständigen Blockadelamento schon ganz anders aus.
Wenn Herr Rath meint, die Bundesländer seien reine Kunstgebilde, dann sei ihm gesagt, dass eine Auflösung von, sagen wir mal, um es ganz unverdächtig zu machen, Rheinland-Pfalz, nicht zuerst am Widerstand der dortigen Ministerialbürokratie, sondern am großen Widerstand der Bevölkerung scheitern würde. Eine Verringerung der Zahl der Bundesländer würde übrigens an der Grundtatsache ja auch nichts ändern und daran, dass das föderative Element unseres Staates grundgesetzlichen Ewigkeitscharakter hat.
Letztlich denke ich, dass die von Herrn Rath beklagte föderative Bürokratie auch genau das ist, was wir brauchen, Schutz vor „Berliner Willkür“. MICHAEL PLAUMANN, Friedberg
Nicht die Länder mit ihren teilweise größeren demokratischen Möglichkeiten (wie Volksbegehren und Volksentscheid in Hessen) sollten abgeschafft werden, sondern der Bund, der durch seine Größe und Schwerfälligkeit mittlerweile eine Bedrohung für Europa ist. Für wie „groß“ man sich in Berlin hält, zeigt jenes unsägliche Bestehen auf einem ständigen Sitz für Deutschland im UN-Sicherheitsrat. Hingegen sind die meisten Länder der BRD historisch gewachsen (Hessen, Niedersachsen, Bayern etc.) oder demokratisch legitimiert (Baden-Württemberg durch die Volksabstimmung über den Südweststaat). Im Gegensatz dazu der Bund: Die Verfassung (auch Grundgesetz genannt) wurde bisher in keiner Volksabstimmung bestätigt, und bis zum Mauerfall gab es vier Staaten in Europa, die als Amtssprache Deutsch hatten, und auch nach dem Mauerfall gab und gibt es immer noch größere Identitätsprobleme zwischen Ost und West im „wiedervereinigten“ Deutschland. Auch sind die kleinsten deutschen Bundesländer größer als die kleinsten EU-Mitglieder und mithin nicht zu klein. Und: Wenn die Länder nach Meinung des Autors schon weit von ihren Bürgern entfernt sind, wie weit ist dann der Bund entfernt? HENDRIK HELMS, Mühltal
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