: „Bush will eine zivilere Außenpolitik“
Die US-Regierung zeigt sich derzeit in internationalen Fragen kooperativer und baut eine zivile schnelle Eingreiftruppe auf. Doch solange Guantánamo existiert, wird auch dies das globale Image der USA kaum aufhellen
taz: Herr Kupchan, Präsident Bush will eine zivile schnelle Eingreiftruppe aufstellen, die jungen Demokratien auf die Beine helfen soll. Ist dies nicht auch ein Eingeständnis, im Irak versagt zu haben?
Charles Kupchan: Sicher, obwohl die Bush-Regierung das natürlich nie zugeben wird. Wir haben es schlicht mit einem unsanften Erwachen zu tun im Hinblick auf zivile Interventionen, an denen die Republikaner früher desinteressiert waren. Aber nach dem 11. September, den Invasionen in Afghanistan und Irak ist klar, dass nation building in failed states zum Eckpfeiler der US-Außenpolitik geworden ist.
Ist dies ein ehrlicher Versuch, Staaten beim Aufbau demokratischer Institutionen zu helfen – oder ein geschicktes Instrument, um US-Interessen durchzusetzen?
Ich sehe es als eine realistische Reaktion auf die Lage in instabilen Weltregionen. Bush verdient dafür Anerkennung. Dieser Schritt muss als Verlängerung seiner Politik gesehen werden, die Auslandshilfe erheblich auszuweiten und so mit einer traditionellen Haltung der Republikaner zu brechen. Ohne „9/11“ wäre dies undenkbar gewesen, genauso wie Bushs Erkenntnis, dass viele Entwicklungsländer, die die USA lange ignoriert haben, von strategischer Bedeutung sind.
Aber sind diese „Civil Active Response Corps“ wirklich mehr als eine Komponente, die militärische Regimewechsel ergänzen soll?
Ja. Die Einsicht ist einfach gereift, dass nation building im ureigenen nationalen Sicherheitsinteresse ist. Früher hielt man dies für eine Art internationaler Sozialarbeit. Heute bestreitet kaum jemand in Washington mehr die geopolitische Bedeutung.
Aber wenn man über ein brauchbares Instrument für die Nachkriegszeit zu verfügen glaubt – dann wird die Hemmschwelle für Invasionen wie im Irak sinken?
Das ist sicher möglich. Dieses neue Instrument ist jedoch notwendig, unabhängig davon, ob es nach einer US-Militärintervention zum Einsatz kommt oder in Gebieten, wo es keine Intervention gegeben hat und eine zivile Verwaltung aufgebaut werden muss, etwa im Gaza-Streifen.
Dennoch erscheint das Projekt wie eine universelle Blaupause, die auf verschiedenste Regionen angewandt werden soll. Schimmert da nicht die im Irak oft gescholtene Ignoranz der USA gegenüber kulturellen, ethnischen und religiösen Besonderheiten durch?
Grundsätzlich ist es allemal besser, eine Art stehendes Heer von trainierten Zivilisten zu haben, auch wenn es noch nicht auf jede ethnische Gruppe und kulturelle Eigenheit geschult ist, als über gar keine Kapazitäten zu verfügen. Langfristig muss es natürlich auf bestimmte Regionen zugeschnittene Einheiten geben. Ich bin allerdings überrascht, wie gering das Budget ist …
… Peanuts von nur 120 Millionen Dollar …
… ja, und wenn man dies mit dem riesigen Haushalt des Pentagons vergleicht, haben wir es mit einem Superminivorhaben zu tun, das nicht den Eindruck erweckt, überragende Bedeutung zu erlangen.
Ist das Ganze also nur eine PR-Kampagne, um das US-Image aufzubessern?
Ich hoffe, dass auch dieses Budget erst der Anfang ist. Man richtet eine neue Abteilung im Außenamt auch nicht zum Spaß ein. Zumal, wenn sie die Mission des Ministeriums neu definiert. Ich glaube, die Anstrengungen für zivile Interventionen werden zunehmen. In Zukunft wird es eher mehr solcher Einsätze geben. Denn das ist doch die Lektion aus dem Balkan, aus Haiti, Afghanistan und dem Irak: Die internationale Staatengemeinschaft verfügt über keine ausreichenden Kapazitäten im Krisenmanagement oder Verwaltungsaufbau. Das Projekt soll diesen Mangel langfristig beheben helfen.
Also setzt Bush mehr auf „soft power“?
Die zweite Amtszeit Bushs hat einen anderen Tenor als die erste: mehr Kooperation, weniger Konfrontation. Bush unterstützt die Verhandlungen der Europäer mit dem Iran, er will den Nordkorea-Konflikt diplomatisch lösen und verkündet nun diese „Civil Active Respons Corps“. Bush hat die Außenpolitik korrigiert – ohne dass ich deshalb einen grundlegenden Kurswechsel erkennen kann.
Selbst wenn dies so ist – Guantánamo überschattet jeden noch so gut gemeinten Ansatz.
Ja, absolut. Guantánamo und der Umgang mit dem Abu-Graib-Skandal haben dazu geführt, dass selbst positive Initiativen nicht wahrgenommen oder Bush nicht angerechnet werden. Das Weiße Haus sollte schon deswegen unbedingt seine Gefangenenpolitik ändern, angefangen in Guantánamo.
Warum geschieht das nicht?
Weil das Pentagon Millionen in den Auf- und Ausbau gesteckt hat und offenbar die von Häftlingen erhaltenen Informationen für wichtiger hält als den außenpolitischen Schaden.
INTERVIEW: MICHAEL STRECK