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Archiv-Artikel

Traurige Perlen

Verhinderte Liebe: Vier Werkstattinszenierungen beschließen die Thalia-Autorentheatertage

Vier lange Stunden hätten das werden können. Doch die lange Nacht der Autoren am Sonnabend, Höhepunkt und Abschluss der fünften Autorentheatertage am Thalia, war wunderbar kurzweilig. Und komisch. Alle vier Siegerstücke hatten das Motto der Jurorin Simone Meier – „Liebe und Komik“ – beherzigt, wenn auch im Fall von Lukas Hollingers Stück Explodierende Pottwale eher unfreiwillig: Völlig überdrehte Figuren klatschen sich da Kartoffelsalat ins Gesicht oder auf die Tagebücher des Großvaters, fallen permanent vom Stuhl und starren sich in die Augen, was wohl Verliebtheit ausdrücken soll. Die Schauspieler scheinen selbst nicht an die Geschichte zu glauben, geschweige denn Regisseur Schirin Khodadadian. Zwei Wochen Probezeit waren für diese chaotische Vierecksgeschichte wohl einfach zu kurz.

Doch bei diesem Aussetzer blieb es dann auch: Dem Improvisationsprofi und Thalia-Hausautor Andreas Kriegenburg etwa hat die Zeit locker gereicht, um eine hinreißende Inszenierung auf die Beine zu stellen. Aber das liegt natürlich auch an der Stückvorlage. Autorin Anja Hilling zeigte mit Protection das reifste Werk des Abends. In dichter Sprache erzählen dreimal zwei Menschen, wie sie kurzzeitig zueinander finden, bis sich ihre Wege wieder schmerzhaft trennen. Jede Geschichte ist eine traurig-schöne Theaterperle: Bei Lucy und Ross, den beiden Obdachlosen, die nach vierzehn Monaten Schauen endlich miteinander sprechen, ist es die Krankheit von Lucy, die die Liebe unmöglich macht. Bei Marc und Marco ist es Marcs Beinprothese, die ihn glauben lässt, dass sein Flirtpartner ihn spätestens im Bett abstoßend finden wird. Und bei Leon und Nazife sind es die Erinnerungen der jungen Türkin an ihre Vergewaltigung, die jede Erotik ersticken.

Bettina Schürmann hat für diese gescheiterten Anfänge ein beeindruckendes Bild gefunden: Hauchdünne Folie umspannt die Drehbühne, riesige weiße Luftballons schweben darüber. Träume zerplatzen – und doch sind diese Geschichten auch rührend komisch.

Auch Reto Fingers Stück Schwimmen wie Hunde handelt von gescheiterter Liebe. Dariusch Yazdkhasti bringt die knappen Dialoge in seiner Werkstattinszenierung ganz ohne Spielhandlung auf die Bühne. Die fünf Schauspieler des Thalia-Ensembles sitzen auf weißen Plastikstühlen nebeneinander und reden. Im Mittelpunkt steht Charlotte, die Robert nach siebenjähriger Beziehung die Trennung erklärt. Der zieht in den Keller und lässt sich nicht abschütteln – nicht einmal, als Charlotte ihm das Wasser abdreht und mit ihrem neuen Freund ein Kind bekommt.

Auf Plastikstühlen sitzen auch die zwei Jugendlichen in Lothar Kittsteins Stück In einer mondhellen Winternacht nebeneinander, bei dem David Bösch Regie führt. „Es ist schön mit dir“, sagt das Mädchen und lacht den Jungen an. Der reagiert genervt. Nicht etwa, weil er sie doof fände, sondern weil sich die beiden in einer Zeitschleife befinden. Leicht kommt das Stück daher, das den Moment des Kennenlernens in immer neuen Varianten durchspielt. Doch auch dieser multiplizierte Flirt versandet.

So viel verhinderte Liebe an einem Abend, müsste das nicht traurig stimmen? Nein, es stimmt optimistisch: Um den deutschsprachigen Theaternachwuchs muss man sich keine Sorgen machen. Karin Liebe