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Archiv-Artikel

Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Auch wenn sich seit Ende der 90er Jahre immer mehr KünstlerInnen mit der architektonischen Moderne beschäftigen, jenseits der Museen und Ausstellungsräume verschwinden die Gebäude weiterhin. Und sei es im Dickicht grauenhafter globalkapitalistischer Architekturen, die nicht selten von den Hirnen mächtiger Kleinkrämer begrenzt werden und unendlich viel Mittelmaß wie irrsinnig aufgeblasene reaktionäre Projekte fördern. Doch zurück zur, nein, in die Moderne, und das meint in die Sowjetunion der zwanziger Jahre. Mit enormer Kreativität und experimenteller Energie – nicht selten gab es materielle Engpässe – entstanden in Russland, der Ukraine oder Aserbaidschan radikale Architekturen, die nicht nur das sozialistische Gefüge widerspiegelten, sondern darüber hinaus die Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Architekten, Künstlern und Theoretikern. „Die Baumeister der Revolution“ im Martin-Gropius-Bau zeigt anhand ausgewählter Zeitdokumente (u. a. Boris Pasternak Archiv ) und anhand großformatiger zeitgenössischer Fotografien von Richard Pare diesen immer noch beeindruckenden Baustil, dem Stalin zugunsten eines Stils Einhalt gebot, der sich am klassizistischen Repräsentationsbau orientierte. Die neue sozialistische Welt ab 1929 gehörte eben den Herrschern. Mindest so absurd wirken die fotografischen Werke Veronika Kellndorfers und die Skulpturen Martin Schwenks in der Galerie Fricke. Kellndorfers vielschichtig auf Glas transportierte Perspektiven, die sie in Gebäuden von Mies van der Rohe oder Erich Mendelsohn fand, wirken für sich noch relativ nüchtern. In der Kombination aber mit Schwenks Pflanzen aus Baumaterialien verdichtet sich ein surrealer, intimer Charakter, ähnlich der gespenstigen Atmosphäre der schwindenden Architekturen der Moderne.

■ Baumeister der Revolution. Sowjetische Kunst und Architektur 1915–1935, Mi.–Mo., 14–19 Uhr, Martin-Gropius-Bau Niederkirchnerstr. 7 ■ Veronika Kellndorfer, Martin Schwenk; bis 30. Juni, Di.–Fr. 11–18, Sa. 12–17 Uhr, Galerie, M + R Fricke, Invalidenstr. 114