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Archiv-Artikel

Rot-Grün wäscht schmutzige Wäsche

Drei Monate vor den Neuwahlen beginnt für SPD und Grüne nicht der Wahlkampf, sondern die Aufarbeitung der Koalition. Müntefering will Unterschiede deutlich machen. Grüne schreiben in ihr Wahlprogramm, wo die SPD überall gebremst hat

VON LUKAS WALLRAFF

Drei Monate vor den geplanten Neuwahlen haben SPD und Grüne am Wochenende deutlich gemacht, wie viel sie noch miteinander verbindet: ziemlich wenig.

In den Wahlkampf marschieren die bisherigen Partner getrennt. „Wir werden die Unterschiede unmissverständlich klarmachen“, kündigte SPD-Chef Franz Müntefering an. Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, konterte umgehend: Wenn die SPD eine rot-grüne Auseinandersetzung haben wolle, „kann sie sie haben“.

Aktueller Anlass ist der Streit um die Stammzellenforschung. Um bei Zukunftstechnologien mithalten zu können, „müssen wir bereit sein, auch kalkulierte Risiken in Kauf zu nehmen, wie in der Bio- und Gentechnik“, sagte Müntefering. Er fügte an: „Das müssen alle wissen, die künftig mit uns regieren wollen.“ Becks Antwort: „Naive Bedenkenlosigkeit und Blindheit für Risiken ist kein Ausweis von Modernität.“ Risikobewusstsein habe „nichts mit Waldschratigkeit zu tun“.

Die Grünen fühlen sich von der SPD, wie zu uralten Zeiten, als Ökospinner denunziert. Müntefering sei dabei, „die Zeichen auf große Koalition“ zu stellen, meint Beck. Wenn die Sozialdemokraten zu diesem Zweck die Erfolge von Rot-Grün schlechtredeten, würden die Grünen eben „verstärkt um die rot-grünen Wechselwähler kämpfen“.

Den Anfang wollen die Grünen mit ihrem Wahlprogramm machen, das morgen vorgestellt werden soll. Es soll eine Bilanz der Regierungsarbeit enthalten – bei der die SPD mutmaßlich ganz schlecht wegkommen dürfte. Es sei „völlig klar“, dass nun die Zeit gekommen sei, auf die Differenzen hinzuweisen, sagte der nordrhein-westfälische Grünen-Landeschef Frithjof Schmidt der taz. Die Sozialdemokraten hätten die Koalition schließlich „faktisch aufgekündigt“. Es sei inzwischen klar: „Wir führen einen Wahlkampf als Konkurrenten.“ Und dazu gehöre „eine Bilanzierung der gemeinsamen Arbeit“ – inklusive herber Kritik an der SPD, wie sie im ersten grünen Programmentwurf formuliert wurde. „Das sollte unbedingt so drinbleiben“, fordert Schmidt.

In dem Programmentwurf, der noch überarbeitet wird, heißt es: „Wir sind bei unserem Koalitionspartner immer wieder an Grenzen gestoßen.“ Über die SPD wird kräftig vom Leder gezogen: „Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Ökologie brachte sie oft nicht zusammen.“ Man habe erleben müssen, bilanzierten die Programmautoren, „dass die SPD zwischen kalter Modernisierung und strukturkonservativer Verteidigung des Bestehenden ohne klare Linie hin und her taumelte“. Der klare Tenor: Es lag an der SPD, dass viele Versprechungen in sieben Jahren Rot-Grün nicht erfüllt wurden. „Die Kohle- und Autopartei war zwar immer auch für die Erneuerungen, aber zugleich oft zu sehr für die alte Struktur.“ In der Verkehrspolitik etwa habe man deshalb keinen grundsätzlichen Aufbruch für Bahn und umweltschonende Mobilität durchsetzen können. Der Abbau umweltschädlicher Subventionen sei wegen der SPD nicht schnell genug vorangekommen.

Wie scharf die Kritik an dem großen (Ex-)Partner letztlich im Programm ausfallen wird, war gestern noch unklar. Aber die Richtung steht fest. Grünen-Fraktionschefin Krista Sager kündigte mit Blick auf die SPD an: „Wir werden im Wahlkampf sicher auch darüber reden müssen, wo sie überall die Bremser gewesen sind und wo sie sozusagen das Steuer zur falschen Richtung hin umgelegt haben.“

Welche Richtung die Grünen bei ihrer eigenen Steuerpolitik einschlagen wollen, ist indes noch umstritten. Im Programmentwurf hieß es, „Chefärzte, Manager, Abgeordnete und alle weiteren Gut- und Spitzenverdiener“ sollten wieder „einen stärkeren Beitrag“ leisten. Doch während Parteilinke wie Schmidt darunter eine Anhebung des Spitzensteuersatzes verstehen, plädiert der Vorsitzende der grünen Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen, Gerhard Schick, „keine reine Symbolpolitik“ zu machen. Wichtiger als eine Anhebung der Sätze sei es, die Steuern wirklich einzutreiben und Ausnahmeregelungen wie bei der Anrechnung von Vermietungen und Verpachtungen abzuschaffen.

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