Einst, in der Bar 25 : Schlecht drauf
„Du bist total unromantisch“, schimpfte die filigrane Fotografin. Da hatte sie nun trotz Foto-Verbot aus den tausendfach gebrochen silbern und golden schimmernden Discokugeln in der Zirkuszone der Bar 25 den Mond und die Sonne in Abstrakt gezaubert, und es vermochte nicht zu begeistern. Wohl, weil der Abend schon unschön angefangen hatte. Rüde Taschenkontrolle an der Tür – und dann die Preise: Sechs Mark in alter Währung für den halben Liter Club-Mate. Toll. Und sonst so?
Der Acid-Pauli- a.k.a. Console-Remix von Johnny Cashs Interpretation des Will-Oldham-Depri-Hits „I see a Darkness“ schallte durch den Saloon der zwischen Hüttendorf und Hedonismus angesiedelten Location. Währenddessen zählte hinter dem DJ-Pult ein Countdown die Zeit bis in fünf Tagen zwei Stunden, 20 Minuten und 45 Sekunden herunter. Auf dem abgewrackten Ledersofa gegenüber bastelten die gerade mal drei Stunden wach erscheinenden Angehörigen der Mitte-Agentur-Fraktion die erste Tüte des schätzungsweise eben fünf weitere Tage dauernden Wochenendes.
Derweil wurde auf dem Sonnendeck der erste Gang serviert. Irgendwo brannte auch noch ein Lagerfeuer, und richtig, wir und all die gepflegten Melancholiker in ihren Leonard-Cohen-T-Shirts waren ja eigentlich wegen der kalifornischen Rockband da, die sich einst auf einem Fischkutter in Alaska gegründet hatte.
Doch auch die hatte keinen guten Tag: Nicht nur hatte man ihr an diesem Abend fast komplett den Saft abgedreht – sie klang in ihren besseren Momenten wie Neil Young – auf gar nichts. Einziger Lichtblick des Abends, der wie so oft in den letzten Wochen bei den feierwütigen Touristen im Kreuzberger „Hotel“ endete, war daher: Aus einem am Kotti geparkten Kleintransporter wehten ein paar Takte des alten Romantikers Bob Dylan herüber.
GUNNAR LÜTZOW