Filmen und Filzen

NOVELLIERUNG Die Vorschriften des neuen Polizeigesetzes erweitern die Befugnisse der Polizei und greifen noch weiter in Bürgerrechte ein

Die Bürgerschaft hat das Polizeirecht novelliert. Damit sollte den Vorgaben der Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen werden, das einige Vorschriften des 2005 verschärften Polizeirechts – „das schärfste Polizeigesetz Deutschlands“, sagte damals Innensenator Udo Nagel (parteilos) – gerügt hatte.

Tatsächlich kommt es jetzt, abgesehen von einigen Korrekturen, durchweg zu Verschärfungen. Eine Stärkung der Bürgerrechte gegenüber der Polizei fehle gänzlich, kritisieren Grüne, FDP und Linkspartei, die sich für eine individuelle Kennzeichnungspflicht von Polizisten – entweder durch Namenschilder oder Zahlencodes – stark gemacht hatten.

Die taz erklärt, was das neue Polizeigesetz für BürgerInnen bedeutet:

Wann darf die Polizei videoüberwachen?

Durften früher öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen zur Gefahrenabwehr nur gefilmt werden, wenn eine konkrete Gefahr bestand, darf die Polizei nun grundsätzlich alle Veranstaltungen präventiv überwachen: das Treiben in der Schanze, das Fußballspiel am Millerntor oder den Besuch beim Alstervergnügen.

Ist mein Computer sicher?

Grundsätzlich lässt das neue Polizeigesetz die verdeckte Online-Überwachung zu und erlaubt den Staatsorganen, heimlich sogenannte Trojaner zur Überwachung des E-Mail-Verkehrs zu installieren.

Was bringt eigentlich das Scannen von Auto-Kennzeichen?

Kriminologen sind sich einig, dass das massenhafte Scannen durch Kfz-Kennzeichen-Lesegeräte kriminalistisch keinen praktischen Nutzwert hat. „Wozu braucht die Polizei so etwas?“, fragte der Jurist Hartmut Adem von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin bei der Expertenanhörung zum Gesetzesentwurf im Innenausschuss.

Und was ist mit den Persönlichkeitsrechten?

Die Polizei kann künftig Observationen oder Maßnahmen gegen die Unverletzbarkeit der Wohnung bei einer „dringenden Gefahr“ für den Staat anordnen. Dieser schwammige Begriff hat „faktisch keine zeitliche Komponente mehr“, sagt der Verwaltungsrechtsexperte Carsten Gericke. Früher musste eine „unmittelbare“ zeitlich eng gefasste Gefahr bevorstehen. „Das geht viel weiter als in anderen Polizeigesetzen und wie es das Bundesverfassungsgericht definiert“, sagt Gericke.

Wo kann man kontrolliert werden?

Die Polizei war bisher ermächtig, in sogenannten Gefahrengebieten verdachtsunabhängig Personen- und Taschenkontrollen durchzuführen. Dazu war die Definition der Zielgruppen nötig: szenemäßig gekleidet, über 30 Jahre alt. Nun nun ist diese Vorschrift auf Waffenverbotszonen und auf die Durchsuchung erweitert worden, sodass nicht nur – wie in St. Pauli – sich Verbotszonen und Gefahrengebiete überlappen, sondern Personen bis auf die Unterwäsche gefilzt werden können. „Das ist eine Verdichtung des Kontrollraums“, sagt Gericke.  KAI VON APPEN