: Fair wird ein Schuh draus
Die kanadische Organisation Adbusters vertreibt fair hergestellte Turnschuhe im Design der Markenmultis, um Kritik an Firmen wie Nike zu formulieren. Bislang gab es in Deutschland nur in München ein Geschäft für diese Schuhe – jetzt zieht Karsten Gandor in Hamburg mit einem Wohnzimmer-Laden nach
von Thorsten Steer
Hamburg, Stadtteil Veddel: Entlang an einer nicht enden wollenden Fassade aus rotem Klinker schlurfen kopftuchtragende türkische Mütter mit prallen Einkaufstüten. Ein Rentner im Unterhemd putzt, die Zigarette fest im Mundwinkel, seinen Balkon, der sich in nichts von den unzähligen anderen Freiluftzimmern der Klinkerfassade unterscheidet. Keine Frage, die Veddel ist atmosphärisch Meilen von angesagten Szene-Vierteln wie St. Pauli oder der Schanze entfernt.
Eine Vorahnung auf Hamburgs ersten Shop mit den politisch korrekt gefertigten „Blackspot“ -Turnschuhen vermittelt immerhin ein paar Schritte weiter ein einsam an der Häuserfront wehendes Transparent: „Studiengebühren stoppen!“. Ein paar Häuser weiter öffnet der 31-jährige Karsten Gandor die Tür zum „Back To Source“-Shop in seiner Wohnung, die er mit seiner Freundin teilt. Gekleidet in ein T-Shirt mit der Aufschrift „Motorpsycho“ nebst langem Haupt- und Barthaar bietet der hauptberufliche Veranstaltungstechniker hier Turnschuhe zum Verkauf an – als globalisierungskritische Aktion im Sinne des Anti-Branding.
Hier gibt es sie also: Die Blackspot-Turnschuhe, die bewusst dem klassischen Chucks-Design der inzwischen von Nike geschluckten Firma Converse nachempfunden sind und nicht in jenen Sweatshop-Verhältnissen gefertigt werden, die die Globalisierungskritiker den Megakonzernen vorwerfen. Auf die Idee mit dem Sneakers-Shop kam Gandor, als er durch einen Zeitungsartikel über die Website der kanadischen Organisation Adbusters stolperte, die es sich zum Ziel gesetzt hat, weltweit Marken- und Konsumterror zu bekämpfen (siehe Kasten).
Zunächst als Käufer informierte sich Karsten Gandor im Internet über das Projekt eines fair hergestellten Turnschuhs. Später war er von der Idee so begeistert, dass er selbst mit einem Shop aktiv werden wollte. Zumal es in Deutschland zu diesem Zeitpunkt lediglich in München einen Laden gab, der die Sneakers verkauft. Seit ein paar Wochen gibt es die ökologischen und sozialverträglichen Blackspot nun auch in Hamburg zu kaufen – Gandor hat den Verkauf offiziell zunächst in sein Gewerbe als Veranstaltungstechniker integriert.
Das Obermaterial der Schuhe ist aus Hanf, die weiße Kappe am Vorderende aus biologisch abbaubarem Leder-Ersatz. Geradezu romantisch mutet die Produktionsstätte an: Ein portugiesischer Familienbetrieb mit überdurchschnittlichem Lohn und umfassenden Arbeitnehmerrechten. Die Arbeiter bekommen 25 bezahlte Urlaubstage, zwei zusätzliche Monatsgehälter pro Jahr, sowie eine eineinhalbstündige Mittagspause. Trotzdem kostet ein paar Blackspots bei Karsten Gandor weniger als die häufig unter prekären Verhältnissen gefertigten Chucks von Nike/Converse.
Ausgangsstrategie von Ad- busters ist „Werbung so umzugestalten, dass sie darauf verweist wie abartig sie eigentlich ist – die Werbung also ins Gegenteil verkehren“, erläutert Gandor. Diese Dagegen-Politik reichte den Adbusters aber nicht mehr aus. Sie gründeten das Projekt der weltweiten Blackspot Anticorporation, die mit den Schuhen eine Alternative zu den herkömmlichen Sweatshop-Tretern entwickelt hat.
Der Name geht auf das „Blackspotten“ zurück, das schwarze Übermalen von Markenlogos. Blackspotter wollen „nicht für ein Produkt Werbung laufen, das nicht verantwortlich hergestellt ist“ sagt Gandor. Der Schuh sei dann die logische Weiterentwicklung zu einem Produkt gewesen, bei dem der schwarze Edding nicht mehr nötig ist, weil es unter fairen Bedingungen gefertigt wurde.
Ziel der Adbusters-Produktentwicklung ist eine weltweite Konsumenten-Kooperative, die sich über die verschiedensten Produkte erstreckt, Mitbestimmungsmöglichkeiten der Verbraucher sichert und Ausbeutungsverhältnisse vermeidet. Der Clou an dem Konzept: Der Käufer erwirbt mit einem Paar Schuhe auch einen Anteilsschein an der Blackspot Anticorporation. Damit besitzt er Stimmrecht bei Entscheidungen über die „Firmenpolitik“ der Anti-Firma und kann bei zentralen Aspekten wie dem Design, dem verwendeten Material oder der Gewinnverteilung mitreden. Es gehe darum, „dass alle die daran beteiligt sind, möglichst aktiv mitgestalten können“, sagt Gandor.
Kontakt „Back To Source“ ☎ 0172 - 40 199 72 oder www.dervolltreffer.de