: Ungesund und unsozial
Hamburger Senat will vorzeitig aus dem Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) aussteigen und Käufer Asklepios die Alleinherrschaft überlassen. Volksentscheid gegen LBK-Verkauf würde erneut unterlaufen. Heftige Kritik von ver.di und SPD
von Elke Spannerund Sven-Michael Veit
Der Hamburger Senat hat einen Weg gefunden, sich endgültig aus der Verantwortung zu ziehen. Nach dem Verkauf des Landesbetriebes Krankenhäuser (LBK) gegen das klare Votum des Volksentscheides plant er nun, sogar seine Minderheitsbeteiligung an dem Krankenhausunternehmen aufzugeben. Das bestätigte gestern der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Hartmut Stienen, der taz auf Anfrage. Laut Kaufvertrag mit der Asklepios GmbH sollte die Stadt noch bis 2007 einen Anteil von 25,1 Prozent halten. Inwieweit dieser nun vorzeitig aufgegeben werden kann, wird „zurzeit geprüft“.
Den Schleichweg aus der Verantwortung hat das Bundeskartellamt eröffnet. Es entschied am 29. April, dass die Stadt nach dem Verkauf des LBK an die Asklepios GmbH die marktbeherrschende Stellung des neuen Verbundes aufgeben müsste. Der vereinbarte Weg: Eine der sieben LBK-Kliniken muss verkauft werden. Diese Auflage aber entfalle, heißt es an anderer Stelle, wenn von der Stadt ohnehin „kein wettbewerblich erheblicher Einfluss mehr vermittelt wird“. Und das wäre nicht der Fall, interpretiert nun der Senat, wenn die Asklepios GmbH alleiniger Gesellschafter wäre.
Dabei hat die Stadt bisher noch nichts unternommen, den mit dem Bundeskartellamt vordringlich vereinbarten Weg einzuschlagen. So ist noch nicht einmal entschieden, welche der sieben LBK-Kliniken verkauft werden könnte, um diese Auflage zu erfüllen. Folglich ist auch noch keines der Krankenhäuser zum Verkauf ausgeschrieben.
Stattdessen trägt Gesundheitssenator Jörg Dräger (parteilos) als Aufsichtsratsvorsitzender des LBK den Beschluss des Gremiums in der vorigen Woche mit, in den Kliniken des LBK rund 1.000 Stellen abzubauen. Auch betriebsbedingte Kündigungen seien nicht auszuschließen, verkündet Bürgermeister Ole von Beust (CDU) nun höchstselbst. Und Drägers Pressesprecher Hartmut Stienen beschwichtigte gestern, man prüfe, „inwieweit es gelingt, eine Anteilsreduzierung bei gleichzeitiger Wahrung der Rechte zu erreichen“.
Mit dem Erhalt von 25,1 Prozent der Anteile hatte der Senat vor dem Verkauf noch versucht, seine Kritiker zu beschwichtigen. Als er sich über das klare Votum des Volksentscheides hinwegsetzte (siehe Kasten), argumentierte von Beust, dass durch die Mitsprache der Stadt die Kliniken nicht allein den Gesetzen des Marktes überlassen würden. Genau das aber droht jetzt.
Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Hamburger Landesverbandes des Marburger Bundes, sieht alle seine Befürchtungen bestätigt: „Der Hamburger Senat stiehlt sich aus der Verantwortung“, schimpfte der Ärztevertreter gestern. „Damit gefährdet er eine flächendeckende Versorgung der Patienten.“
Der Senat habe den LBK „einem Großinvestor ausgeliefert, der jetzt bei Belegschaft und Patienten für Angst sorgt“, diagnostizierte SPD-Gesundheitspolitiker Martin Schäfer. „Bislang“, räumt der Fraktionsvize in der Bürgerschaft ein, habe er „es für undenkbar gehalten, dass der Senat die Sperrminorität aufgibt“. Aber jetzt könne der seine Verantwortung für die Gesundheit in der Stadt „gar nicht schnell genug loswerden“, so Schäfer: „Das ist ein mieses Spiel.“
Von einer „Verhöhnung“ der Bürger und der Beschäftigten im LBK spricht in gewohnter Drastik Wolfgang Rose, Hamburger Chef der Gewerkschaft ver.di. Zusätzlich zum angedrohten Personalabbau solle den verbleibenden Mitarbeitern auch noch Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen werden, so Rose. Wenn der Senat seine Sperrminorität beim LBK aufgebe und „den Zerstörungskurs“ des Mehrheitseigentümers Asklepios nicht stoppe, sei außer der Gesundheitsversorgung „auch der soziale Frieden in Hamburg in Gefahr“.
Mit perfektem Timing schlug gestern CDU-Haushaltspolitiker Rüdiger Kruse die Einrichtung eines „Bürgerdialogs“ vor. In dieser „ergebnisorientierten Online-Diskussion“ sollten Bürger dem Parlament antworten auf die Frage: „Was wollt ihr?“. Dann könnte die Politik nicht einfach, so Kruse, „per ordre de mufti von oben bestimmen und hoffen, dass es gut geht“.