: Ein Träumerhaufen
Sanft durchgeschaukelt: Laurie Andersons Soloprogramm „The End of the Moon“ im Rahmen des Poesiefestivals
Jedes große Event braucht einen großen Star. Beim Poesiefestival ist es in diesem Jahr Laurie Anderson, die mit ihren elektrifizierten Auftritten in den Achtzigern zur Kultfigur der Medienkunst-Szene geworden ist. Diesmal ist sie aber nicht mit den alten Nummern nach Berlin gereist, sondern präsentiert ihr neues Soloprogramm: „The End of the Moon“. Erzählt werden soll die skurrile Geschichte von ihrem Stipendium als Artist in Residence, das die Nasa Laurie Anderson spendiert hat.
Die Reise zum Mond beginnt im weichen Licht. Auf der Bühne des HAU 1 stehen lange Reihen weißer Kerzen, rechts eine kleine Leinwand, auf der sich zwei Fußabdrücke im Sand abzeichnen, links ein lederner Ohrensessel, der auf eine Märchenerzählerin wartet. Doch die steht hinter ihrem Mischpult, ganz in Schwarz, raunt Texte ins Mikrofon, spielt Geige und legt elektronische Klangteppiche aus, als wollte sie den ganzen Saal hypnotisieren. Das Publikum besteht überwiegend aus begeisterten Anderson-Kennern. Die Bereitschaft, sich hypnotisieren zu lassen und den wenigen Pointen Applaus zu spenden, ist an diesem Abend groß. Trotzdem hat man den Eindruck, dass ein bisschen mehr Spektakel und technische Finesse gewünscht wird.
Aber Anderson hat bereits im Vorfeld angekündigt, dass sie künftig nicht mehr so sehr auf multimediale Effekte setzt. Im Mittelpunkt sollen jetzt stärker die Stimme, das Wort und die Geschichten stehen. So wohnt man einen ganzen Abend der Wiederkehr der Erzählung bei. Am Abend zuvor hat Anderson auf der Eröffnungsveranstaltung des Poesiefestivals ein Gedicht vorgetragen, das Walter Benjamin gewidmet ist und die Trümmer zitiert, auf die der Engel der Geschichte zurückblickt. „Die Geschichte“, sagt Anderson in charmant gebrochenem Deutsch, „ist ein Träumerhaufen.“
So ein Träumerhaufen ist auch „The End of the Moon“. Erzählt wird quer durch den luftleeren Raum. Über die Sehnsucht nach dem Universum und natürlich die Liebe. Am Ende des Abends fühlt man sich sanft durchgeschaukelt. Und ob man zwischendurch nicht ein bisschen geschlafen hat, lässt sich mit letzter Sicherheit nicht mehr sagen. Aber was sonst bei Lesungen streng verboten ist, scheint hier der gute Sinn der Poesie zu sein. Wenn das Poesiefestival vorführen will, welche Energie in der Dichtung steckt, dann hat dieser Sternenflug alles bewiesen. WIEBKE POROMBKA
Bis 26. 6., www.poesiefestival.de