: Grüne erschließen den Osten
LANDTAGSWAHLEN Nach Sachsen und Thüringen wollen die Grünen jetzt auch in Brandenburg in den Landtag einziehen. Sie setzen auf den Berliner Speckgürtel
AXEL VOGEL, BRANDENBURG-GRÜNER
AUS BERLIN ULRIKE WINKELMANN
Natürlich seien die Grünen-Ergebnisse in Sachsen und Thüringen Rückenwind für die Brandenburger, sagt Axel Vogel. Er ist Spitzenkandidat der Bündnisgrünen bei der Landtagswahl, die in Brandenburg am 27. September zeitgleich zur Bundestagswahl stattfindet. Die Grünen gehen fest davon aus, nach 15 Jahren wieder in den Potsdamer Landtag einzuziehen. „Ich glaube, wir werden sogar noch ordentlich etwas auf das Thüringer Ergebnis drauflegen“, sagt Vogel.
Die Thüringer Grünen holten bei der Landtagswahl letzten Sonntag 6,2 Prozent der Stimmen und schafften damit als zweiter ostdeutscher Landesverband nach langer Abstinenz den Sprung ins Parlament. Die Sachsengrünen, als einzige Ostgrüne mit Fraktion bisher schwer beneidet, verbesserten ihr Ergebnis auf 6,4 Prozent. Kämen nun auch die Brandenburger in den Landtag, wäre der Osten für die Bündnisgrünen endlich kein Brachland mehr. 2011 zögen Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern vielleicht nach.
Faktoren für den zahlenmäßig so kleinen, aber politisch so wichtigen Erfolg gibt es viele. „Aktuell hat natürlich der Bundestrend geholfen“, erklärt etwa die Thüringer Bundespolitikerin Katrin Göring-Eckardt. Auch seien dank der Aufhebung der Fünfprozenthürde bei den jüngsten Kommunalwahlen Grüne in die Stadträte eingerückt. „Plötzlich waren Gesichter da. Den Leuten wurde klar: ‚Das ist hier der Grüne‘“, sagt Göring-Eckardt.
Dieses Mal setzten die Grünen alles daran, nicht nur in den Uni-Städten Erfurt und Jena zuzulegen, sondern auch in den Kleinstädten. Auf dem Land wurde gegen jede Schweinemastanlage plakatiert. Doch insgesamt, sagt die Thüringer Landes- und wohl bald Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich, „haben wir eher mit der sozialen Frage als mit Umweltpolitik gepunktet.“
Es gebe in Thüringen anders als in Sachsen oder Brandenburg keinen „klassischen neuralgischen Punkt“ wie Kohleabbau, erklärt Rothe-Beinlich. Indem sie seit Jahren die Verbindung von Bildung und Armut zum Thema machten, hätten die Thüringer Grünen nun die meisten Stimmen aus dem Nichtwählerspektrum gezogen.
Auch die Fraktionschefin der Sachsengrünen Antje Hermenau ist stolz, nicht nur in den Studentenstädten Dresden und Leipzig, sondern auch in den mittelgroßen Städten die Ergebnisse – leicht – verbessert zu haben. Sie hat persönlich am Ruf gearbeitet, „nicht wirtschaftsschädigend“ zu sein: „Ein Auftritt, wie ich ihn hinlege, wird auch dem einen oder anderen SPD- und CDU-Wähler gefallen haben“, sagt Hermenau.
Den Löwenanteil ihrer WählerInnen finden die Sachsengrünen allerdings in den alternativen Studierendenquartieren vor allem in der Landeshauptstadt, wo Wirtschaftspolitik kein vorrangiges Thema ist. Ein Viertel der Stimmen kommt allein aus Dresden. Ohne Piraten- und Tierschutzpartei wäre hier vermutlich sogar noch mehr zu holen gewesen.
Der Brandenburger Spitzenkandidat Vogel führt wie Hermenau einen wirtschaftsbetonten Wahlkampf. Er spekuliert auf den Berliner Speckgürtel, in den viele junge Familien mit urbanem, akademischen Hintergrund gezogen sind. Eine Lehre, sagt Vogel, hat er auf jeden Fall aus den jüngsten Wahlergebnissen gezogen: „Wir müssen einen viel stärkeren Zweitstimmenwahlkampf führen.“ Viele Wähler wüssten offenbar nicht, dass eine Erststimme den Grünen wenig nutze – gäben ihre Zweitstimme aber anderen. „Die Unkenntnis über das Wahlsystem ist unglaublich verbreitet.“