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Archiv-Artikel

Der Komplette im Kollektiv

NEWCOMER Die Füchse Berlin sind die Überraschung der Saison. Weil ihr Spiellenker Bartlomiej Jaszka immer besser wird, stehen sie im Finalturnier der Champions League

„Da spielen nicht gerade die Mannschaften, die wir schlagen“

BERLINS TRAINER SIGURDSSON ÜBER DAS FINAL FOUR

AUS BERLIN JENS UTHOFF

Der Daniel Düsentrieb des Teams sei er. Einer, der die Füchse-Maschine immer wieder neu erfindet, der wie besessen an deren Optimierung arbeitet. Bob Hanning, Manager der Füchse Berlin, hat diesen Vergleich bei Bartlomiej Jaszkas Vertragsverlängerung (bis zum Jahr 2017) gezogen. Kein Wunder bei der Saison, die Jaszka, der Denker und Lenker des Füchse-Spiels, hinter sich hat. Der 29:18-Sieg im Viertelfinalrückspiel der Champions-League (CL) gegen Ademar León war dabei vorerst der Höhepunkt. Auch dank des findungsreichen Jaszka machte man einen Elf-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel wett und steht nun da, wo die wenigsten sie erwartet hätten: Beim Final-Four-Turnier in Köln.

Die Füchse Berlin sind unter den besten vier Mannschaften Europas angekommen und treffen im Halbfinale der CL auf den Ligakonkurrenten THW Kiel. Die konstante Weiterentwicklung seit dem Aufstieg in die Erste Bundesliga (BL) 2007 setzt sich auf internationaler Ebene fort. Dabei spielen die Hauptstädter ihre erste Europapokalsaison seit fast 30 Jahren – damals hießen sie noch Reinickendorfer Füchse. Gegen Kiel ist man zwar Außenseiter, von den letzten zehn Partien gegeneinander gewannen die Zebras neun und die Füchse eins. Unabhängig vom Ausgang spielen die Berliner eine perfekte Saison, die erneute CL-Qualifikation haben sie fast schon sicher.

Nach außen sind es Manager Hanning oder Typen wie der extrovertierte Torhüter Silvio Heinevetter, die die jüngeren Erfolge des Klubs symbolisieren. Auf dem Spielfeld aber ist es vor allem das Verdienst des kompletten, vielseitigen Rückraumspielers Jaszka, das Füchse-Kollektiv zusammenzuhalten und zu dirigieren. Der 28-Jährige kam 2007 zu den Füchsen – seither verläuft sein eindrucksvoller Aufstieg parallel zu jenem der Füchse. Dass man in bisher 49 Pflichtspielen seit September das Niveau konstant hoch hielt, dass man nach Rückschlägen wie der 23:34-Niederlage im Hinspiel gegen León oder der kürzlichen Niederlage in der Bundesliga gegen Flensburg immer wieder aufstand, dafür steht vor allem dieser polnische Nationalspieler.

Dem stillen, zurückhaltenden Jaszka würde man nicht unbedingt zutrauen, ein Handballteam von Weltformat zu führen. „Außerhalb des Spielfeldes bin ich ein ruhiger Typ, nicht wie Silvio zum Beispiel“, sagt er. „Während des Matches ist das natürlich etwas anderes, ich muss das Spiel lenken und viel mit meinen Mitspielern kommunizieren.“ Dabei wirkt er, der 1,85 Meter groß und für einen Handballer fast schmächtig ist, wie ein abgebrühter Stratege, der in so mancher Hektik während eines Spiels kühlen Kopf bewahrt. Jaszka behält den Überblick auch dann, wenn die Halle tobt. Überhaupt, seine Fähigkeit, ein Spiel zu lesen hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Er ist in seine Rolle hineingewachsen.

Im vergangenen Sommer, als Iker Romero nach Berlin kam – von der Erscheinung und als Spielertyp so etwas wie der Raúl der Füchse –, da hatte man schon damit gerechnet, dass sich Jaszkas Einsatzzeiten verringern würden. Er aber hat sich gegen den Spanier durchgesetzt auf der Position des Spielmachers.

Die Füchse funktionieren als akribisch organisiertes Team. Jaszka ist dabei die ordnende Hand eines Gefüges, das nicht über den Star, sondern über mehrere Ausnahmespieler wie Heinevetter, Kapitän Torsten Laen, den immer besser werdenden Sven-Sören Christophersen oder den in dieser Saison starken Ivan Nincevic verfügt. Jaszka weiß um den Teamgeist dieser Mannschaft und sieht noch Spielraum nach oben: „Es gibt ja auch noch einen zweiten und ersten Platz in der Liga.“ In der CL will man sich ohnehin dauerhaft etablieren.

Wie viel darf man nun erwarten gegen Kiel, die derzeit wohl weltbeste Mannschaft? Darf man gar vom Sieg beim Final Four träumen? „Da spielen nicht gerade die Mannschaften, die wir schlagen“, sagte Trainer Dagur Sigurdsson nach dem Triumph über León. Jaszka gegegen meint: „Die Spieler sind auch nur Menschen und keine Maschinen.“ Und: „Wir können natürlich auch gegen Kiel gewinnen. Wir gehen locker in das Spiel, haben keinen Druck.“ Auf diesen Düsentrieb in der Mitte jedenfalls sollten die Kieler achtgeben.