: Migration in den Vordergrund
TEILHABE Der neu zusammengesetzte Rat für Integration will sich nicht mehr bescheiden im Hintergrund halten, sondern nimmt in Anspruch, die Integrationspolitik dieser Stadt mitzubestimmen
Mehr Einfluss auf politische Entscheidungen und mehr Gehör in der Öffentlichkeit – auf diese Ziele konnten sich am Samstag alle Mitglieder des neu zusammengesetzten Rats für Integration einigen. Sechs Stunden berieten 40 der 56 überwiegend von Organisationen entsandten Räte auf einem Klausurtag, wie der Rat in Zukunft die Integration aller Bremer und Bremerinnen erleichtern kann – in der Hoffnung, dass es bald nicht mehr wichtig sein wird, welchen „Migrationshintergrund“ jemand hat, wie viele sagten.
„Stellen Sie sich einen solchen Satz mal in den USA vor“, forderte beispielsweise die Vertreterin der jüdischen Gemeinde, Natalia Solovtsova, und las aus einem aktuellen Artikel des Weser Report vor, in dem es um eine Schlägerei im Musical Theater ging – die Mordkommission ermittelt wegen versuchten Totschlags. „Bei den Tätern soll es sich dem Vernehmen nach um in Bremen geborene deutsche Staatsbürger mit albanischem Migrationshintergrund handeln“, stand in dem Anzeigenblatt. „Was bleibt hängen?“, fragte die ehemalige Ressortleiterin einer Lokalzeitung in Odessa. Und gab selbst die Antwort: „Dass sie Albaner sind.“
Statt stets nur die Probleme des Zusammenlebens in den Mittelpunkt zu stellen, wünschten sich viele, dass endlich auch die Potenziale von MigrantInnen genutzt würden. Dazu gehöre, zweisprachig aufwachsende Kinder zu fördern und deren Besonderheiten in Sprachtests wie dem viel kritisierten Cito-Test zu berücksichtigen, formulierten Elternvertreter und Wissenschaftlerinnen in einer Arbeitsgruppe zum Thema Bildung. Weitere Forderungen: Das Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Erzieherinnen abzuschaffen sowie ein Wahlrecht für alle.
Einen großen Raum nahm die Frage ein, wie der Rat seine Ideen und Forderungen umsetzen kann. „Der letzte Rat hatte keinen Boden“, sagte Zarah Azad-Aliabadi vom mehrsprachigen Kinderhaus Kodakistan, „wir brauchen einen Ort, den man aufsuchen kann, wo man Mails hinschreiben kann“. Allerdings ist dieser derzeit im Budget nicht vorgesehen.
Da sich nach den bisherigen Erfahrungen die Bürgerschaftsabgeordneten mit Ausnahme der Grünen Zarah Mohammadzadeh nicht sonderlich für die Arbeit des Rates interessieren, schlugen viele Mitglieder vor, nicht länger darauf zu warten, dass sie als Experten und Expertinnen um Rat gebeten werden. „Wir geben schließlich die Integrationspolitik vor“, so die Weiterbildungsexpertin Claire Klindt.
Die Einflussmöglichkeiten schätzten viele aber als weiterhin begrenzt ein und schlugen deshalb vor, die Arbeit in dem Gremium auch als Modell zu betrachten, wie Konflikte ausgehalten und gelöst werden können. „Kontroverse Diskussionen“ – dies wünschten sich gleich mehrere Mitglieder vom neuen Rat.EIKEN BRUHN