… DIE CLUBSZENE TAGSÜBER?
: Alles außer tanzen

Wenn das mal nicht hip ist: Statt in der Mittagspause vom Büro in die Kantine und wieder zurück zu schlurfen, soll die arbeitende Bevölkerung künftig ihre trägen Körper in einen Club bugsieren und ihn eine Stunde lang rhythmisch zu elektronischer Musik bewegen.

Die Idee kommt frisch aus Skandinavien: Es heißt, die Nordlichter tanzten zu Hunderten durch ihren Break. „Lunchbeat“ heißt das Ding in Schweden. Die Regeln: Gespräche über Arbeit sind tabu, und nach einer Stunde geht es brav zurück an den Schreibtisch. Natürlich voller Energie und Euphorie. Und, falls nötig, mit einer Extraladung Deo unter der Bluse.

Am Dienstag machte der Frannzclub in der Kulturbrauerei den Anfang in Berlin. Pünktlich um 12 Uhr startete der schwedische DJ und Lunchbeat-Organisator Per Ola Jannhov sein Set mit dem Eurodance-Hit „I like to move it“. Leider waren nur acht zahlende Gäste gekommen.

Dabei bekamen die Business-Hipster für ihr Eintrittsgeld von 10 Euro nicht nur Musik und Mineralwasser, sondern auch eine Art Mittagessen geboten – auch das passend zum locker-leichten Partykonzept. Statt des Schweinebratens mit Stampfkartoffeln in der Kantine, der den Schreibtischtäter in ein unproduktives Fresskoma fallen lässt, stand kalorienarmer „Trinksalat“ in Reagenzgläsern auf dem Büffett: ein grasgrünes Getränk mit Gingko und Tomatenstückchen, das schmeckt, als wäre ein Milchshake ins Gemüsefach gestolpert. „Müsste mehr Salz ran“, fand ein Partygast.

Mehr Pfeffer könnte jedenfalls die mittägliche Feierlaune in der deutschen Hauptstadt vertragen. Schließlich gilt es den Ruf als Partymetropole zu verteidigen. Und zwar schon am heutigen Donnerstag, wenn der erste paneuropäische Lunchbeat stattfindet: In 20 Städten – von Istanbul über Uppsala bis Manchester – soll gleichzeitig getanzt werden. In Berlin steigt die Sause um 13 Uhr im Prenzlauer-Berg-Club Zurmoebelfabrik. Und am 12. Juni probiert der Frannzclub noch eine zweite Runde aus. Spätestens dann wird sich zeigen, ob der durchschnittliche Berliner Geldverdiener nicht doch eher zur Schweinebratenfraktion gehört. KAB       Foto: reuters