Ungenutzte Gunstlage

Wirtschaft Nach der Insolvenz des immer schon umstrittenen Haven Höövt gibt es viele Schuldzuschreibungen – aber keine Ideen für neue Konzepte

■ Auch Gorbatschow ist am Scheitern des Haven Höövt Schuld: Mitte der Achtziger gab es die Idee, Teile der Danziger Innenstadt dort nachzubauen. Nach Perestroika und der Öffnung des Eisernen Vorhangs, der Direktreisen nach Danzig ermöglichte, wurde dieser Plan ebenso fallen gelassen wie die Errichtung von Forschungslabors auf dem Gelände.

„Es ist an der Zeit aufzuklären, warum das Wirtschaftsressort so lange auf Tauchstation war.“ So kommentiert die örtliche FDP die Insolvenz des Vegesacker Einkaufscenters Haven Höövt. Holger Bruns, Sprecher der angegriffenen Behörde, hält es hingegen für einen „Witz“, dass „ausgerechnet die Liberalen staatssozialistische Positionen“ einnähmen. Die Insolvenz sei eine privatwirtschaftliche Angelegenheit. Zudem sei die Center-Ansiedlung „zur Zeit einer anderen Koalition“ beschlossen worden.

Ungeachtet aller Schuldzuweisungen bemüht sich Insolvenzverwalter Marc Odebrecht um eine Fortführung. Um eine Auszugswelle zu verhindern, soll das Center „attraktiver“ werden, Odebrecht verhandelt mit der in London ansässigen Gläubigerbank um entsprechende Spielräume. Im Gespräch ist ein neues Beleuchtungskonzept und die Reduzierung der Parkgebühren.

Allerdings sind die Probleme grundsätzlicherer Natur. Die Prime Commercial Properties GmbH (PCP), die jetzt den Konkurs anmeldete, übernahm die Liegenschaft vor drei Jahren von der Albrecht Vermögensverwaltung, die die Anlage 2003 errichtete und seither betrieb – allerdings abweichend vom Ursprungskonzept. Die Kommunalpolitik sei mit dem Versprechen eines großen Entertainment-Bereichs „geködert“ worden, erinnert sich der Vegesacker Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt. Doch der von Albrecht versprochene „Bauteil C“, der unter anderem ein Großkino, Disco und Bowlingbahn beherbergen sollte, ist bis heute Brachland.

Einer der frühen Kritiker des Haven Höövt, Jochen Tholen von der Universität Bremen, hält die Ansiedlung einer Shopping Mall in bester Lage am historischen Hafenbecken – ob mit oder ohne Bowlingbahn – ohnehin für eine „grandiose Fehlentscheidung“. Wohnen am Wasser wäre hier das bessere Konzept gewesen, meint der Wirtschaftswissenschaftler. Zudem sei die Verkaufsfläche mit 35.000 Quadratmetern zu klein, um ein spezifisches Sortiment-Profil zu ermöglichen.

Ganz in der Nähe liegt mit der Waterfront eine weitere Ufer-Verbauung, die eine ungleich größere Auswahl bietet. Aber könnte sich der Einzelhandel nicht über einen Wegfall der Haven Höövt-Konkurrenz freuen? Dornstedt warnt: Das Center sei ein Frequenzbringer und spreche im Gegensatz zum Ortskern das U 30-Publikum an. Die Einzelhändler hätten auch nicht von der Vegesacker Hertie-Schließung profitiert.

Trotzdem gibt es im Ortskern derzeit weniger Leerstand als unter den rund 70 Ladenflächen des Haven Höövt – abgesehen von der Markthalle, wo sich derzeit ein Kinderzirkus über große Tobeflächen freut. Auch die ist eine Albrecht’sche Hinterlassenschaft.  HENNING BLEYL