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Archiv-Artikel

Grünes Programm weckt die Flügelkämpfer

Linke wollen soziale Pläne noch konkreter machen. Oberrealo Metzger: „Willkommen im Wolkenkuckucksheim!“

BERLIN taz ■ Grünen-Chef Reinhard Bütikofer ahnte, was auf ihn zukommt. Als er am Dienstag den Vorstandsentwurf für das Wahlprogramm vorstellte, sagte er, die interne Debatte sei „damit nicht abgeschlossen“. Wohl wahr. Viele Grüne, aus den unterschiedlichsten Lagern, trauten ihren Augen kaum, als sie die Umverteilungspläne zugunsten der sozial Schwächeren auf Kosten der „Spitzenverdiener“ lasen.

Die Parteilinken reagierten auf das Programm ihrer Führung wie Durstige in der Wüste auf den ersten Schluck Wasser. Der neue Duktus sei „meilenweit entfernt von dem, was wir uns in den letzten Jahren anhören mussten, als wir mehr soziale Gerechtigkeit gefordert haben“, sagte Fraktionsvize Christian Ströbele der taz. „Man merkt dem Programm an, dass die Grünen aus ihren Fehlern gelernt haben“, stellte der Grüne-Jugend-Sprecher Stephan Schilling, fest.

Beide finden das Programm aber noch zu unkonkret und wollen für den Parteitag Mitte Juli Änderungsanträge formulieren. Ströbele fordert ein Investitionsprogramm. Schilling will sicherstellen, dass die angepeilten Mindestlöhne „wirklich armutsfeste Löhne“ werden. Außerdem sollte beziffert werden, wie hoch die angekündigte Anhebung des Arbeitslosengeldes II ausfallen soll. Ihm schwebt eine Steigerung von 345 auf rund 400 Euro vor. Die Grünen müssten aber auch „deutlicher benennen, wo das Geld herkommen soll“.

Genau hier setzt die Kritik von Oswald Metzger an. „Willkommen im Wolkenkuckucksheim!“, kommentierte der frühere haushaltspolitische Sprecher der Grünen das Programm. Metzger ist für seine Zuspitzungen bekannt und in Teilen der Partei berüchtigt. Er dürfte aber einigen Finanzpolitikern aus der Seele sprechen, die sich aus Parteiräson zurückhalten. So erklärte die Haushaltsexpertin Antje Hermenau der taz, der Programmentwurf sei „der erreichbare Kompromiss, den ich mittrage“.

Metzger, der am Samstag wieder einen Platz auf der baden-württembergischen Bundestagsliste anstrebt, schimpft über die „sozialromantischen Robin-Hood-Vorstellungen“, die im Programm zum Ausdruck kämen. „Es liest sich wie ein Programm aus den 70ern, als man das Füllhorn der staatlichen Fürsorge ausgeschüttet hat“, so Metzger zur taz. Die anvisierten Ausgaben und Einnahmen passten nicht zusammen. „Was da versprochen wird, kostet gut und gern 60 Milliarden aufwärts.“ Dem gegenüber stünden Erträge aus Abgaben für Spitzenverdiener, Vermögens- und Erbschaftssteuer, die „wohlwollend gerechnet 6 bis 7 Milliarden bringen“. Er glaube nicht, dass so ein Programm Erfolg habe: „Die Leute wissen, dass die Kassen leer sind.“ Die Grünen hätten immer dafür plädiert, „vernünftig mit dem Geld künftiger Generationen umzugehen“. Nun sollten sie „nicht so tun, als sei der Staat eine eierlegende Wollmilchsau“. Er sei sich sicher, dass es auf dem Parteitag „auf jeden Fall auch Anträge geben wird, die das Programm nicht nach links festzurren möchten“. LUKAS WALLRAFF