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Archiv-Artikel

Das deutsche Mathe-Harvard ist schon da

Fünf Forschungszentren bekommen bereits Eliteförderung. Matheon in Berlin etwa sucht die Konkurrenz mit den USA

BERLIN taz ■ Wenn man wissen will, wie gut John M. Sullivan ist, muss man eine 3-D-Brille aufsetzen. Dann sieht man, was man eigentlich gar nicht sehen kann. Der Mathematiker kann zum Beispiel einen Flug über den Mars simulieren. Oder seine Zuschauer durchs Universum schweben lassen. Er versucht so, eines der Rätsel zu beantworten, über die sich die Astrophysik streitet: ob das Universum flach ist wie eine Flunder. Oder gekrümmt. Sullivan kann mithilfe der Mathematik und des Computers Phänomene, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, visualisieren und ihre Beschaffenheit erforschen.

Der 43-jährige Sullivan gehört zu „Matheon“, dem Forschungszentrum „Mathematik für Schlüsseltechnologien“, das bereits jetzt einen Elitezuschuss erhält. Ohne diesen Sonderbonus, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an fünf Research-Center vergibt, wäre der Forscher nicht hier. An den Zentren kann man studieren, was ab kommendem Jahr möglich sein wird: dass deutsche Spitzenunis genug Geld haben, um weltweit konkurrenzfähig zu sein.

John M. Sullivan und sein Chef Martin Grötschel beispielsweise können viel mit Harvard anfangen, jenem amerikanischen Prototyp für eine Eliteuniversität. Sullivan hat dort einmal studiert – und ist trotzdem an die äußerlich gar nicht elitäre Technische Universität nach Berlin gegangen. Geholt hat ihn Martin Grötschel, Träger des deutschen Forschungspreises schlechthin, des Leibnizpreises. Wenn das Stichwort „Harvard“ fällt, huscht ein überlegenes Lächeln über das Gesicht des Professors Grötschel. „Wir können uns mit Harvard messen.“

Das DFG-Center Matheon besteht aus den Mathematikern der Technischen, der Humboldt- und der Freien Universität; zudem gehören die beiden außeruniversitären Einrichtungen Konrad-Zuse-Zentrum und Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis dem Forschungszentrum an. Diese Institute sind zusammen das, was man ein Forschungscluster nennt, eine Zusammenballung exzellenter Institute einer Disziplin, die millionenschwere Zuschüsse wert sind. Die Center der DFG erhalten jeweils 5 Millionen Euro jährlich – 12 Jahre lang. In Abständen von vier Jahren wird evaluiert, ob die Mittel gerechtfertigt sind.

Bislang gibt es inklusive Matheon fünf Research-Center. An der Universität Bremen werden „Ozeanränder“ erforscht und in Karlsruhe „funktionelle Nanostrukturen“. An der Universität Würzburg geht es um „experimentelle Biomedizin“, in Göttingen untersucht man die „Molekularphysiologie des Gehirns“. Kommt das Eliteprogramm, wird es ab Ende 2006 weitere solcher Elitezentren geben.

CHRISTIAN FÜLLER