TREUE KUNDEN
: Discounterpapagei

Mit klarer Stimme kreischt er: „Betrug!“

Wie jeder Billig-Food-Junkie wechsle ich nach dem Einkauf den Discounter. Aus Scham, es wieder getan zu haben, aus Selbsthass, meine Sucht nicht unter Kontrolle bringen zu können.

Ich weiß, dass alle Discounter böse sind – da brauche ich weder das Schwarzbuch der Vereinten Gewerkschaften noch die Enthüllungsstorys der großen Magazine. Ich weiß es aus eigener Erfahrung: Beim täglichen Rotieren zwischen Minus, Brutto, Musi, Kosmi und Zockerland ist mir nie eine Verkäuferin ein zweites Mal begegnet. Nie ein Gesicht in Erinnerung geblieben.

Bevor ich einen Laden nach durchschnittlich vierzehn Tagen wieder betrete, ist das komplette Kassenpersonal ausgewechselt. Oder – andere Hypothese – sie sind so trainiert, dass sie sich im Kittel so ähnlich sehen, dass verbleibende Unterschiede unterhalb der Wahrnehmungsschwelle dümpeln. Und doch ist in jedem Moment klar: Hier werden Höchstleistungen erbracht.

Eine der Frauen zieht in Überschallgeschwindigkeit eingeschweißte Schinkenwurst über den Scanner. Ein Gorilla vom Sicherheitsdienst presst – ohne eine Abwrackprämie zu kassieren – Saftkartons mit 500 Atü in die Recyclingtonne. Ein Heer anonymer Pressbienchen zerquetscht im Pfandrückgabeautomaten Plastikflaschen.

Nur die Kunden, die ich erst für einen zufällig ausgewählten Schnitt der Bevölkerung hielt, sind immer dieselben: die Punkerin mit dem nervigen Rastafreund, dem regelmäßig ein Sixpack ganz easy direkt an der Kasse zu Boden fällt, Scherben bringen Duft. Oder der alte Mann mit dem Papagei auf der Schulter, der bei Brutto, Minus und Kosmi vor mir in der Schlange steht. Der Ara ist gewitzt. Er schnappt nach den falschen Versprechen auf den Werbeplakaten der Discounter. Mit glasklarer Stimme kreischt er: „Betrug. Piraten. Bande“, und wedelt mit den blaugrünen Schwanzfedern. TIMO BERGER