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Archiv-Artikel

„Ich bin farbig, nicht blass“

Sie setzt „auf Sieg“ und will gleichzeitig „verhärtete Fronten auflockern“. Bettina Wilhelm, 47, Anfang Mai von der Stuttgarter SPD bei nur einer Gegenstimme zur Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl nominiert, demonstriert Selbstbewusstsein. Die parteilose Erste Bürgermeisterin von Schwäbisch Hall verortet sich selbst in der Mitte zwischen dem konservativen Kandidaten Sebastian Turner und dem grünen Bewerber Fritz Kuhn. Vor der Wahl will sie keine politischen Absprachen treffen. Zu ihren Hauptzielen gehört die drastische Verbesserung der aus ihrer Sicht skandalös schlechten Kinderbetreuung in der Landeshauptstadt. Die Stadtwerke sollen zu 100 Prozent rekommunalisiert werden

von Susanne Stiefel (Interview) und Jo Röttgers (Fotos)

Frau Wilhelm, Sie seien eine erbärmliche Doppelkopfspielerin, sagt die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier.

(Lacht.) Da muss man wissen, von wem der Spruch kommt. Leni und ich spielen regelmäßig zusammen Doppelkopf, seit wir uns vor Jahren über die Frauenpolitik kennengelernt haben. Und beim Doppelkopf sind wir harte Konkurrentinnen, weil wir beide sehr ehrgeizig sind.

Sagen Sie schon mal Null an?

Ja klar, ich riskiere gerne mal was, ich spiele lieber offensiv. Das Gemeine beim Doppelkopf ist ja, dass oft die defensiven Spieler weiterkommen, weil sie kontinuierlich und unaufgeregt Punkte sammeln.

Und Sie fahren mit Ihrer Risikobereitschaft auch schon mal in den Keller?

Ja, ich bin da eher die mutige Spielerin. Schließlich ist es ein Spiel, und was zu riskieren macht mehr Spaß.

Das werden Sie beim OB-Wahlkampf brauchen. Hat Ihnen Sebastian Turner auch schon Schienbeinschoner geschenkt und einen Fairnesspakt angeboten?

Turner hat ziemlich schnell, nachdem mein Name bekannt wurde, angerufen und versucht, mich zu überreden. Er meinte, die Bevölkerung würde das begrüßen, weil es ein gutes Zeichen sei. Ich habe abgelehnt. Es geht doch nicht darum, mit einem PR-Gag Zeichen zu setzen, man muss fair handeln. Und das ist für mich selbstverständlich.

Selbstverständlich kostet so ein Wahlkampf auch Geld. Turner hat einen Verein gegründet, um seine Kandidatur zu finanzieren. Er hat außerdem als ehemaliger Teilhaber bei Scholz & Friends Millionen im Hintergrund. Da können Sie nicht mithalten.

Es ist mir klar, dass die CDU und Herr Turner mehr Geld zur Verfügung haben werden. Dass allerdings durch einen Verein die Spendengelder transparent gemacht werden, wage ich zu bezweifeln. Es gibt genug verdeckte Posten, die dort nicht aufscheinen werden.

Da steht ein Millionär wie Turner gegen arme Würstle wie Sie und Kuhn und Rockenbauch. Chancengleichheit sieht anders aus. Bereitet Ihnen das Sorge?

Nein. Ob Fairnesspakt oder Begrenzung der Wahlkampfkosten – ich behaupte, die Menschen wollen nicht eingeseift werden. Es gibt finanziell sicher eine Ungleichheit, aber die fürchte ich nicht, denn es wird auf anderes ankommen. Und schließlich gibt es auch noch die Medien, die diese OB-Kandidaten begleiten und ihre Argumente prüfen. Und das hat sicher auch einen Einfluss.

Apropos Medien und Ungleichheit: sind Sie eigentlich schon – wie der CDU-Kandidat Sebastian Turner – essen gewesen mit dem Chefredakteur der „Stuttgarter Zeitung“?

Nein, aber das kann ja noch kommen.

Um den OB-Sitz muss man kämpfen. Die Grünen, sagt Fritz Kuhn, hätten sich mit ihm einen ausgesucht, der das kann. Spielte die Kampfbereitschaft bei Ihrer Nominierung durch die SPD auch eine Rolle?

Ich bin jedenfalls mit vollem Herzblut dabei und werde mich mit vollem Engagement in diesen Wahlkampf stürzen. Natürlich werde ich kämpfen, und zwar auf Sieg. Sicher hat das bei der SPD auch eine Rolle gespielt.

Ganz die Powerfrau, die „Bild“ in Ihnen sieht?

Ach, das höre ich nicht zum ersten Mal, damit kann ich gut leben. Ich bin engagiert, und ich glaube schon, dass ich meine PS auf den Boden bringe. Ich bin strukturiert, gut vernetzt und kann als Frau auch Dinge parallel tun. Darin bin ich privat als Mutter und beruflich nicht nur in meiner jetzigen Funktion als Erste Bürgermeisterin in Schwäbisch Hall geübt. Das habe ich mein ganzes Leben schon getan.

Als Turner und Kuhn im Rennen waren, sagten Sie: Jetzt habe ich eine Chance. Setzt die einstige Ludwigsburger Gleichstellungsbeauftragte auf die Frauen-Karte?

Das wäre zu einfach. Ich war überrascht, dass die CDU einen parteilosen Kandidaten aufgestellt hat, dadurch haben sich meine Chancen als ebenso Parteilose erhöht. Wenn die CDU Andreas Renner ins Rennen geschickt hätte, der ebenfalls Verwaltungserfahrung und auch ein klares sozialpolitisches Profil hat, wäre es für mich schwieriger geworden.

Bei der OB-Wahl 2004 gingen jedenfalls mehr Frauen als Männer zur Wahl. Setzen Sie auf die Frauenstimmen?

Ob Frauen auch Frauen wählen, zu diesem Thema gibt es viele Studien. Für Frauen spielen Inhalte ebenso eine Rolle wie die Persönlichkeit. Aber auf jeden Fall ist es unter fünf männlichen Konkurrenten ein deutlich sichtbares Alleinstellungsmerkmal. Da falle ich auf, und das ist auch gut so. Und ich punkte natürlich, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht, weil ich das selbst gelebt habe mit meinen zwei Töchtern, Mann, Studium und Beruf. Das ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema, ein Zukunftsthema, das inzwischen auch immer mehr Männer betrifft. Und natürlich sagen viele, es wird Zeit, dass es auch mal eine Frau wird. Das freut mich.

„Um das andere Lager will ich mir keine Gedanken machen“

Lassen Sie uns über Männer reden, nämlich über Ihre Konkurrenten. Wird Ihnen Fritz Kuhn gefährlich?

Mit ihm habe ich mich auch schon nett unterhalten. Aber ein Stratege wie Fritz Kuhn, mit dem es die größte inhaltliche Schnittmenge gibt, ist für mich natürlich am gefährlichsten. Hannes Rockenbauch wird eher Fritz Kuhn schaden, weil die Leute sauer sind auf den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Aber eigentlich will ich mir gar keine Gedanken machen um das andere Lager.

Da werden Sie nicht drum rumkommen. Spätestens im zweiten Wahlgang müssen Sie sich entscheiden, ob Sie zugunsten der Grünen zurückziehen, falls Sie an dritter Stelle liegen. Fritz Kuhn hat diesen Schritt schon angekündigt. Wie sieht es bei Frau Wilhelm aus?

Frau Wilhelm schaut jetzt auf den ersten Wahlgang, und mein Ziel ist es, da vorne zu liegen. Ich treffe keine politischen Absprachen im Vorfeld. Ich rede dann über den zweiten Wahlgang, wenn ich das Ergebnis der ersten Wahl kenne.

Also keine Aussage, trotz der desaströsen Geschichte der Stuttgarter OB-Wahl, bei der sich SPD und Grüne nie einigen konnten und es immer die CDU als lachenden Dritten gab?

Wieso sind Sie so sicher, dass die CDU als Gewinner aus dem ersten Wahlgang herauskommt? Ein anderes Szenario könnte doch sein, dass Herr Turner an dritter Stelle liegt.

Mit Verlaub, Frau Wilhelm, das scheint mir ein wenig zu abenteuerlich. Viele CDU-Wähler wollen den zweitwichtigsten Job im Land nach der Landtagswahl weder den Grünen noch der SPD überlassen.

Und ich höre immer mehr Stimmen aus dem CDU-Lager, die sagen: Turner geht gar nicht. Die Zeiten sind vorbei, in denen die CDU, wie man so schön sagte, einen Besenstiel hätte aufstellen können und die Mehrheit hätte dort ihr Kreuzchen gemacht. Die Menschen sind kritischer geworden und schauen genau hin. Ich glaube, dass ich eine gute Mitte zwischen dem konservativen Turner und dem linken Kuhn bin.

Da wird sich der Realpolitiker Kuhn aber wundern, dass Sie ihn dem linken Spektrum zuordnen. Und in der Mitte wollen sich doch alle tummeln außer Hannes Rockenbauch. Der haut jedenfalls noch auf den Putz und nennt die LBBW eine „kriminelle Vereinigung“. Können Sie den Furor nachvollziehen?

Nein, tut mir leid. Man kann sich darüber aufregen, dass mit Nahrungsmitteln spekuliert wird und damit die Preise steigen und viele Menschen Not leiden. Darüber kann man sich aufregen. Aber eine kriminelle Vereinigung wird ja gegründet, um kriminelles Handeln auszuüben. Und das hat doch nichts mit der LBBW zu tun.

Wie würden Sie es denn nennen, wenn Menschen verhungern, weil man mit Essen Monopoly spielt?

Es geht doch darum, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortungslos würde ich das nennen. Eine kriminelle Vereinigung kann man die Landesbank nun wirklich nicht nennen.

Und wir halten fest: Bettina Wilhelm hält sich alles offen und macht keine Aussage darüber, ob sie gegebenenfalls im zweiten Wahlgang zugunsten eines grünen Kandidaten zurückzieht, und sie gibt sich der Illusion hin, dass Turner im ersten Wahlgang nicht vorne liegt.

Ich sage, es ist jetzt noch zu früh, für den zweiten Wahlgang eine rot-grüne Absprache zu treffen. Das kommt doch auch entscheidend darauf an, wie man jetzt miteinander umgeht und wie man sich inhaltlich positioniert. Das hat doch grade erst angefangen.

Der Wahlkampf klingt bisher sehr nach Einklang. Alles wollen dasselbe: mehr Kitas, mehr Bildung, versöhnen und gestalten. Warum also soll man Sie wählen? Was wollen Sie anders machen als die anderen?

Ein Grund ist meine kommunalpolitische Erfahrung seit zwölf Jahren. Ich weiß, wie Verwaltung funktioniert. Der andere Punkt ist, dass ich Leute begeistern kann, und das hat mit meiner eigenen Begeisterungsfähigkeit zu tun. Und außerdem, das ist in Stuttgart ja wichtig, habe ich bewiesen, dass ich mit Konflikten umgehen und verhärtete Fronten auflockern kann. Ich kann auch versöhnen.

„Ganz ehrlich, es gibt noch richtig viel zu tun in Stuttgart“

Das sagen doch auch alle. Bitte zum Inhalt.

Nehmen wir die Kinderbetreuung. Ganz ehrlich, da gibt es noch so richtig viel zu tun hier in Stuttgart. Ich habe mich da auch blenden lassen von der Eigenwerbung, Stuttgart sei die kinderfreundlichste Stadt. Als ich mich näher mit den Zahlen der Kinderbetreuung beschäftigt habe, hat mich fast der Schlag getroffen. Es ist eine Katastrophe, wenn das Ausbauziel 2016 bei 46 Prozent liegt, da sind die kleinen Kommunen im Hohenloher Land ja weiter als die Landeshauptstadt. Das finde ich einen Skandal.

Das findet Fritz Kuhn sicher auch. Und einig sind Sie beide sich ja auch, was die Rekommunalisierung der Stadtwerke anbelangt.

Mehr Unterschiede gibt es dabei sicherlich mit Sebastian Turner. Der hat ja die Befürchtung, dass bei einer Rekommunalisierung der Energie in der Industrie die Lichter ausgehen. So ein Horrorszenario kann ich natürlich nicht stehen lassen.

Mit seinem Plädoyer für eine Energieversorgung in privater Hand findet sich der CDU-Kandidat sogar im Widerspruch zur CDU-Gemeinderatsfraktion, während Sie in diesem Punkt ganz auf SPD-Linie sind.

Vielleicht sogar noch ein bisschen weiter. Beim Thema Fernwärme könnte die SPD ruhig noch etwas mutiger sein. Vom Querverbund der Netze wird sich auch der wirtschaftliche Erfolg ableiten. Wenn die Stadtwerke es schaffen würden, die Konzessionen um die Fernwärme zu erwerben, dann haben sich Machtpositionen verändert, weil man nicht mehr auf die Kraftwerke der EnBW angewiesen wäre. Aber einig bin ich mit der SPD im Ziel, die Stadtwerke 100-prozentig zu rekommunalisieren.

Da kommen Sie wieder mit Ihrem Vorbild Schwäbisch Hall.

Ja, die Stadtwerke Schwäbisch Hall sind seit vierzig Jahren eine GmbH und eine 100-prozentige Tochter der Stadt und ein absolut erfolgreiches Unternehmen, das auch in der Energieproduktion erfolgreich ist. Natürlich ist das ein Vorbild. Dort hat man sich zum Ziel gesetzt, 100 Prozent der Primärenergie bis 2030 aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Die Bundesregierung peilt bis 2050 nur 85 Prozent an, bundesweit. Ich denke, dass es durch die Dezentralisierung leichter ist, dieses Ziel zu erreichen.

Die EnBW soll unter der grün-roten Landesregierung mehr auf die Kommunen zugehen. Sie wollen die EnBW draußen haben. Kommt die OB-Kandidatin der SPD in diesem Punkt nicht in Konflikt mit der Landespartei?

Ich bin nicht die SPD. Ganz deutlich gesagt. Ich kann hier klar als OB-Kandidatin die Position der Stadt vertreten, und da ist für mich das Ziel klar, nämlich für Stadtwerke zu kämpfen, die zu 100 Prozent in kommunaler Hand sind.

Trotzdem sprechen Sie von einer großen Nähe zur SPD. Die Sozialdemokraten haben einen Claus Schmiedel und eine Hilde Mattheis. Welchem Flügel fühlen Sie sich denn näher?

Das finde ich schwierig, ich will mich weder dem linken noch dem rechten Lager zuordnen.

Sie drücken sich um eine Positionierung, Frau Wilhelm. Warum wollen Sie nicht Farbe bekennen?

Ich bekenne ja Farbe, ich glaube, ich bin nicht blass, sondern sogar sehr farbig. Aber ich will das inhaltlich tun, und deshalb bin ich auch nicht in einer Partei. Ich war immer eine Fachpolitikerin und habe in fachpolitischen Fragen sehr wohl Farbe bekannt. Und die SPD unterstützt mich deshalb, weil es zwar nicht 100-prozentige, aber große Übereinstimmung gibt. Familiär gibt es keine parteipolitischen Wurzeln in meiner Familie.

„Im Grunde ging es mir immer um Chancengerechtigkeit“

Was hat Sie dann politisch geprägt? Gibt es für Sie politische Vorbilder?

Ich habe sehr früh politisches Bewusstsein entwickelt. Meine Großmutter hatte ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, das habe ich auch. Außerdem war ich sehr aktiv in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit, und wir hatten einen sehr engagierten Pfarrer. Im Grunde ging es mir immer um Chancengerechtigkeit. Das ist ein Thema, dafür werde ich ein Leben lang kämpfen. Dass Menschen mit Migrationshintergrund die gleichen Chancen bekommen. Menschen, die von Armut betroffen sind, und natürlich geht es auch um Bildungschancen. Meinen ersten politischen Erfolg hatte ich, als ich damals für eine Kinderbetreuung an meiner FH gekämpft habe, dass Erzieherinnen eingestellt werden, die sich um die Kinder kümmern. Ich hatte damals meine kleine Tochter und wusste nicht, wohin mit ihr. Nach jahrelangen Verhandlungen ist es gelungen, dass das Studentenwerk die Trägerschaft für diese Kita übernommen hat, aber da war meine Tochter schon drei Jahre alt und in einem Regelkindergarten. Da habe ich gemerkt, dass es sich lohnt, für etwas zu kämpfen.

Kommen wir zur Stuttgarter Gretchenfrage: Wie halten Sie's mit dem Bahnhof?

Ich finde es müßig, immer über S 21 zu reden.

Da kommen Sie als Stuttgarter OB-Kandidatin nicht drum rum. Sie haben bei der Volksabstimmung gegen den tiefer gelegten Bahnhof gestimmt. Warum?

Ich war anfangs eine Befürworterin dieses Projekts, weil ich die Chancen für die Stadtentwicklung gesehen habe. Zunehmend kritischer bin ich geworden, als immer mehr Zahlen und Fakten auf den Tisch kamen: Mineralquellen, Grundwassermanagement und vor allem die Kosten. Das ist einfach wahnsinnig viel Geld, und letztlich konnte ich die Kosten-Nutzen-Frage für mich nicht positiv entscheiden. Das rechnet sich nicht. Meine Stimme gegen den Bahnhof war eine haarscharfe Entscheidung, wobei die Kosten das Hauptargument waren. Jetzt wird S 21 kommen, und ich werde das Projekt engagiert begleiten, aber ich werde auch gegenüber der Bahn keine leichte Partnerin sein. Da werde ich Kante zeigen.

Im Filderdialog, den die Gegner auch Filderdialüg nennen, sollen die Bürger beteiligt werden. Doch die verweigern sich der Veranstaltung. Was ist schiefgegangen?

Da ist handwerklich brutal viel schiefgegangen. Man kann nicht eine Woche vorher zu einer Veranstaltung einladen, noch dazu so knapp vor den Ferien. Man muss mit den Betroffenen schon vorher die Modalitäten eines Dialogs besprechen. Es geht nicht, einfach einen tollen Moderator zu holen. Im Grunde hätten man den Dialog mit einem Dialog über den Dialog beginnen müssen. Das war schon der erste Fehler. Ich glaube, der Anfang ist das Wichtigste.

Der wurde ja schon mal versemmelt. Es gibt jedoch nicht nur formale Fehler. Manche sagen, dass sie sich an einer Simulation von Demokratie nicht beteiligen wollen, weil es nur ein Mitreden in einem zu engen Korsett ist.

Natürlich ist bei einem Beteiligungsprozess ausschlaggebend, was man überhaupt noch entscheiden kann. Dass sich manche beim Filderdialog nicht beteiligen wollen, kann ich gut nachvollziehen. Was ich allerdings auch für ein Problem halte und was ich in der Kommune oft selbst erlebt habe, ist, dass Menschen schnell einen Protestbrief unterschreiben. Wenn es dann aber um konstruktive Zusammenarbeit geht, dann bröckelt es. Aber wer nicht mitmacht, darf sich hinterher auch nicht beschweren.

Lassen Sie uns zum Schluss noch einmal über Männer reden und frei nach Max Frisch fragen: Frau Wilhelm, möchten Sie gerne Ihr Mann sein?

Mein Mann? Um Gottes willen, das wäre eine Katastrophe. Dann müsste ich ja mit mir zusammenleben. Nein, das geht gar nicht.

Bettina Wihelm, 47, engagierte sich früh in der Jugend- und Gemeindearbeit der evangelischen Kirchengemeinde Stuttgart-Rotenberg. Die gebürtige Stuttgarterin, die bisher keiner Partei angehörte, studierte nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin Sozialpädagogik. Sie war Gleichstellungsbeauftragte in Ludwigsburg, in Kirchheim unter Teck verantwortete sie den Bereich Bildung, Kultur und Sport. Seit April 2009 ist sie Erste Bürgermeisterin der Stadt Schwäbisch Hall. Wilhelm versteht sich als „Fachpolitikerin“. Mit der SPD, von der sie Anfang Mai in Stuttgart fast einstimmig als Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl nominiert wurde, gibt es nach ihrer Selbsteinschätzung „zwar nicht hundertprozentige, aber große Übereinstimmung“.