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Archiv-Artikel

Bereit um abzuheben

POP Funk-Psychedelic-Sci-Fi-Epik von THEESatisfaction aus Seattle

Wie auf einem psychedelischen Trip: Alles mutet ein bisschen retro an und ist doch seiner Zeit voraus

VON FATMA AYDEMIR

Was zum Teufel ist feminine Funk-Psychedelic Sci-Fi-Epik? Ein neues Filmgenre? Eine Designerdroge? Falsch, so bezeichnet das Frauenduo THEESatisfaction aus Seattle selbst den eigenen Sound. Tatsächlich kommt dies Charakterisierung ihrem unkonventionellen Debüt „awE naturalE“ nahe: Vertraute HipHop-Beats, schöne funky Grooves und eine magische Anmut treffen auf sphärische Klänge, die sich einer Kategorisierung entziehen.

Stasia Irons und Catherine Harris-White lernten sich beim Studium kennen und lieben. 2008 fingen die beiden an, selbst gebrannte CDs unters Volk zu bringen. Eine davon landete bei dem Rapper Ish Butler, dessen Projekt Shabazz Palaces HipHop letztes Jahr zurück in die Zukunft brachte. Wie Shabazz Palaces ist auch das offizielle Debütalbum von THEESatisfaction „awE naturalE“ vor kurzem bei Sub Pop Records erschienen, dem Label, das einst Grunge und Nirvana zu Welterfolg verhalf.

Die Musik von THEESatisfaction ist ein Rohdiamant. Ungeschliffen, aber keinesfalls unbeholfen kommen die 13 Songs mit einer Leichtigkeit daher, als wäre man auf einer privaten Jamsession von zwei unheimlich geistreichen Musikerinnen. Die Session könnte im plastikbestuhlten, kleinen Garten stattfinden, der die Oase inmitten eines trostlosen Industriegebiets ist. Denn dort, wo sich Natur und Maschine treffen, befindet sich die Seele von THEESatisfaction.

Das komplett selbst produzierte Album setzt auf organische Sounds, angenehme dumpfe Drums, maschinell aufeinander folgende Loops und Cats trockene Intonation – genug Soul für den Sonntagmorgen. Alles mutet ein bisschen retro an und ist doch seiner Zeit voraus. Wie auf einem psychedelischen Trip sind die beiden Damen ständig in Aufbruchsstimmung, bereit um abzuheben, aber emotional dann doch zu geerdet.

Das Instrumental „Enchantruss“ etwa besteht aus absurd verfremdeten Stimmwellen, die einen satanischen Geistertanz aufführen. Aber Gesang und Rapreime kommen so deutlich und sanft, dass der Schreck im Nu verfliegt. Rapperin Stas hat die Gabe und den Flow, ewige Ohrwürmer zu erzeugen, ohne ansatzweise affig zu werden, was nur wenige MCs schaffen. Überhaupt gibt es bei THEESatisfaction keine Tendenz, jemals dem Kitsch zu verfallen.

Die beiden Musikerinnen entwerfen eine Weiblichkeit fernab von Erotik und Drama, Schminke und Plüsch. Stas und Cat sind Natürlichkeit und Wärme, schwer greifbar treiben Sound und Poesie weiter ins Ungewisse. Doch wird „awE naturalE“ auch nie zu abstrakt, bleibt also unbeschwert genießbar. Sowohl als Hintergrundmusik als auch zur Hypnose eignet sich das Ganze. Da ist zum Beispiel der eingängige Song „QueenS“, dessen Rhythmus einen sofort packt und zum Tanzen verführt. „Whatever you do / Don’t funk with my crew“. Doch dann kommt ein einminütiger „Crash“, der allein von einem hängengebliebenen Klavier begleitet wird und dessen Text sich aus den Wörtern „zero“ und „one“ zusammensetzt. Nullen und Einsen. Nicht fragen, einfach fühlen. Weniger ist mehr, heißt die Devise.

So kommen THEESatisfaction mit schlichten Melodien, wenigen Akkorden und schlappen 30 Minuten Laufzeit locker aus, um die aufregende Reise anzuleiten. Thematisch werden Politik, Glaube, Herkunft und Sexualität angerissen, aber nicht zu Ende interpretiert.

Das macht Spaß, denn den Hörern wird so geistiger Freiraum verschafft. Die positive Grundstimmung von „awE naturalE“ äußert sich vor allem vor einem melancholischen Hintergrund, den endlosen Ambient-Schleifen, die einen undefinierten Raum nach unten sowie nach oben offen lassen. Auf dem Song „God“ zupft sich der Bass in abgründige Tiefen, die dann von der heiteren afrikanischen Percussion überwunden werden können.

Es geht um Versuchung, Wahrheit und Erkenntnis. In jedem Satz steckt eine andere Philosophie und man weiß nie so ganz, was Stas und Cat genau wollen. Nur bei einem ist man sicher: sie lieben, was sie tun. Und dafür lieben wir sie.

THEESatisfaction: „awE naturalE“ (Sub Pop/Cargo)