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Archiv-Artikel

Jürgen Rüttgers ist kein Frauenheld

NRW-Fraueninitiativen befürchten unter der schwarz-gelben Landesregierung Kürzungen für Beratungsstellen, Frauenhäuser und Gleichstellungsbeauftragte. Bei der Regierungsfraktion CDU fühlt sich niemand zuständig

DÜSSELDORF taz ■ Sie waren die ersten Demonstrantinnen, mit denen der neue Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) zu tun hatte. Die Frauen der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauenbüros und die Kolleginnen anderer Fraueninitiativen erwarteten Rüttgers am Tag seiner Vereidigung vor dem Landtag – mit Protest-Plakaten. Während ihre Kolleginnen draußen weiter demonstrierten, verfolgte die Sprecherin der Frauenbüros, Christine Weinbörner, im Landtag Rüttgers‘ Amtseinführung. „Ich empfinde keine konkrete, wohl aber eine diffuse Bedrohung“, sagt sie. Sie befürchtet Kürzungen bei Frauenhäusern, Beratungsstellen und Gleichstellungsbeauftragten. Deshalb stellte sie sich nach der Vereidigung des CDU-Regierungschefs zu den Demonstrantinnen.

Auch Angela Hebeler, Frauenreferentin der NRW-Grünen, war unter ihnen. „Die Demo war vollauf berechtigt.“ Die Gelder für Frauenprojekte seien freiwillige Leistungen und es sei wenig Geld in der Kasse. „Im Koalitionsvertrag ist zwar die Gleichberechtigung festgeschrieben, aber man muss gucken, in welchem Umfang die neue Regierung dem gerecht wird“, sagt die Grüne. „Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag ist ein Offenbarungseid hinsichtlich der Frauenpolitik“, sagt Barbara Steffens, stellvertretende Fraktionschefin der Grünen.

Die CDU gibt sich keine Mühe, die Befürchtungen der Fraueninitiativen zu zerstreuen. Im Arbeitskreis Frauenpolitik der CDU-Fraktion fühlt sich niemand für eine Stellungnahme zuständig. Regina van Dinther, die frühere frauenpolitische Sprecherin, ist jetzt Landtagspräsidentin. Eine Nachfolgerin gibt es noch nicht, so ein Sprecher.

Immerhin schlägt er selbst den Koalitionsvertrag auf: „Das Thema Frauen wird abgedeckt. Gucken Sie auf Seite 37 oben, da werden die Vorwürfe gegenstandslos. Und da können Sie dann weiter lesen, was da steht“, sagt er. Es sei noch zu früh, um über Kürzungen zu sprechen. Ein veraltetes Frauenbild könne man der CDU nicht vorwerfen. „Mag sein, dass in den 1950er Jahren Politiker unserer Partei so ein Frauenbild hatten. Aber das ist heute absolut überholt.“

Christine Weinbörner, Sprecherin der Frauenbüros, sieht den Koalitionsvertrag kritisch. „Das Wort Frauenpolitik wird an keiner Stelle erwähnt.“ Beim Lesen ist sie an einigen Stellen hängen geblieben, auf Seite zwölf zum Beispiel. Da steht: „Wir werden den Kommunen mehr Entscheidungsspielräume geben. Mit einem Gesetz zur Flexibilisierung landesrechtlicher Standards geben wir ihnen die Möglichkeit, von gesetzlich vorgegebenen Standards abzuweichen...“ Weinbörner kommentiert: „Die Kommunen können also einfach sagen, wir wollen keine Frauenbeauftragte mehr.“

Mit gemischten Gefühlen hat sie eine Formulierung nachgelesen. Dort heißt es: „Wir wollen ein Beratungs- und Unterstützungsnetz mit ineinander greifenden Hilfsangeboten für Gewaltopfer ... erhalten und effizient gestalten.“ Weinbörner kommentiert: „Die neue Landesregierung geht offensichtlich nicht mit der Axt an die Einrichtungen, das ist gut.“ Trotzdem stört sie das Wort „effizient“ – „das könnte uns eventuell die vierte Stelle im Frauenhaus kosten.“

Mehr als das, was im Koalitionsvertrag steht, stört sie allerdings das, was dort nicht steht. „Das ist viel bedrohlicher. Frauen werden beispielsweise im Zusammenhang mit Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nicht genannt.“ An der Spitze des Wirtschaftsressorts wird eine CDU-Frau stehen: Christa Thoben. Eine Konstellation, die Angela Hebeler von den Grünen genau verfolgen will: „Ich bin gespannt, ob Frau Thoben die Frauen bei ihrer Arbeit berücksichtigt.“

Außer Thoben gibt es nur elf CDU-Frauen im Landtag und ein Mann, der neue „Generationen“-Minister Armin Laschet, übernimmt das Ressort Frauen mit. „Ein Mann von der CDU, der als Minister für Frauen zuständig ist – das wird dann ganz besonders spannend“, sagt Grünenfrau Angela Hebeler und lacht.

KATHARINA HEIMEIER