: kurzkritik Ulken gegen den Zeitgeist
„Diese zwei Blondinen“, kalauert Ingo Insterburg liebenswürdig verschnoddert und zeigt auf selbst Gemaltes, „die sehen sehr hübsch aus, weil sie nichts an haben.“ Rührend – diese treuherzig verklemmte Jungspoesie, alles aufs Elementare zurückzuführen, den doppelten Boden des Denkens und Handelns im Reich real-romantischen Sexualismus zu verorten, schrullig darauf anspielen, nie zotig darin herumsuhlen. Schniedelwitzeleien gegen den Zeitgeist wichtigtuerischer Politisierung, das war Kennzeichen von Insterburg & Co, der Avantgarde einer Humorbewegung namens Blödelbarden. Ein Vierteljahrhundert später sind Insterburg (71) und Karl Dall (64) mit einem Nostalgieabend zur Wiederverwertung ihrer selbst in der Glocke zu Gast. Es gibt jetzt auch Anti-Raucher- und Pro-Vegetarier-Lyrik. Aber die Gesangsdilettanten und Sketchstümperer ulken immer noch gegen den Zeitgeist. Gegen den Comedy-Kult. Während dort Schauspieler Komiker spielen, sind Insterburg und Dall welche. Statt auf brutale Pointenrhythmik, ein alles und jeden niedermähendes Sprechtempo und die rüde Direktheit des Dummfugs zu setzen – servieren sie den herzwärmenden Charme der Schüttelverse und Halbreime, naiv-alberne Improvisationen, kauzig unterspielten Witz, Selbstironie und die Beschimpfung des Mitklatschpublikums: „Wir sind doch hier nicht bei Karl Moik“. Jens Fischer