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Archiv-Artikel

PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH Ententanz auf Sumatra

Nichts ist einfacher als ein Abend unter Botschaftergattinnen: Ich musste nur mit dem Hintern wackeln, „Love me tender“ hauchen und mich mit Mangosaft betrinken

Meine Reisetasche war auf einen solchen Abend nicht vorbereitet, vergangene Woche auf Sumatra. Sie enthielt nur zwei Paar Socken, drei T-Shirts und drei Unterhosen.

Ich reise fast immer nur mit Handgepäck. Ich wollte schließlich ins Tsunami-Gebiet von Indonesien, dort braucht man nicht viel Wäsche, und ich hatte nicht mit einer Einladung zu einem Abend mit Botschaftergattinnen gerechnet. Aber es gab kein Entkommen: „Du kommst mit, das geht auch in Jeans“, sagte meine Gastgeberin, die ich am Abend vor meinem Weiterflug auf Sumatra nur kurz besuchen wollte – dann rief sie auch schon den Chauffeur.

Wir fuhren durch die hell erleuchtete große Stadt zu einem Bankgebäude mit der üblichen Fassade aus Glas und imitiertem Marmor. Der Chef der Bank hatte im obersten Stockwerk seine private Lounge zu Verfügung gestellt, damit die Damen ungestört feiern konnten.

Die zehn Damen waren Gattinnen von hohen Tieren – Botschaftern, Generälen, Ministern, Präsidentschaftskandidaten – und wollten sich auf der Durchreise einen lustigen Abend machen. Ich saß neben der Frau des indonesischen Botschafters in Ägypten und sagte: „Espadon“. Espadon heißt Schwertfisch auf Französisch und der lag auf dem Tisch.

Auf der anderen Seite saß die Gattin eines Generals, die leider weder „Schwertfisch“ noch ein anderes Wort auf Französisch konnte, und so begnügte ich mich damit, ihr alle fünf Minuten mit meinem Mangosaft zuzuprosten.

Die lateinische Bedeutung des Wortes „convertere“ kommt von auswechseln, von umdrehen, wahrscheinlich weil man sich bei den meisten Konversationen lieber jemand anderen als Gegenüber wünscht oder sich umdrehen möchte und gehen. Und bleibt dann doch und sagt abwechselnd Schwertfisch und Prost.

Als der Bankdirektor unterhalb der Speiseempore eine Zigarette zu rauchen begann, entschuldigte ich mich und gesellte mich zu ihm. „Warten Sie, was gleich passiert“, flüsterte er mir zu, als die Frau Botschafterin in China aufstand und sich das Mikrofon schnappte. „I feel the sunshine in my heart“, begann sie zu singen, und das nicht einmal schlecht, jedenfalls wesentlich besser als die Ehefrau des Präsidentschaftskandidaten, die als Nächste an der Reihe war und „Love me tender“ hauchte.

Als alle durch waren, deutete die Frau eines Militärattachés auf mich und rief: „Seemann dein Heimat ist Meer.“ Ich weigerte mich, schüttelte höflich, aber standhaft den Kopf und blieb sitzen.

Karaoke, versuchte ich auf Englisch zu erklären, ist in Deutschland nicht sehr weit verbreitet und ich hätte noch nie und sowieso kenne ich dieses Lied überhaupt nicht. Was mir natürlich niemand glaubte.

Ich war heilfroh, als der Bankdirektor für mich einsprang und einen sehr gefühlvollen indonesischen Schlager anstimmte.

Man muss offenbar gar nicht singen können, bemerkte ich bei dieser Gelegenheit, es reicht bei Karaoke völlig aus, singen zu wollen. Im Geist blätterte ich mein Liedgut durch und stellte fest, dass außer

– „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ und

– „Auf der schwäb’schen Eisenbahne“

keine Lieder komplett mit allen Strophen vorhanden waren.

Der Aufforderung zum Tanz konnte ich mich dann nicht mehr entziehen. Ich versuchte, die Bewegungen der Damen, so gut es ging, zu imitieren, und wackelte wie sie mit dem Hintern, rechtes Bein, linkes Bein und Drehung. Es handelte sich dabei ganz offensichtlich um eine Art jawanesischen Ententanz.

Dass ich dabei der Frau des Transportministers einmal auf die Füße trat und sie dabei schmerzhaft das Gesicht verzog, wurde zwar registriert, aber höflicherweise nicht weiter zum Thema gemacht.

Irgendwann ließen sie mich in Ruhe sitzen, in meinen Jeans, dem T-Shirt und den Aldi-Sandalen, und ignorierten mich.

Ich war kein guter Botschafter meines Landes an jenem Abend, fühlte ich und schwor mir, auf meiner nächsten Reise nach Asien wenigstens ein Liederbuch ins Handgepäck zu packen.

Fotohinweis: PHILIPP MAUSSHARDT

KLATSCH Fragen zum Liedgut? kolumne@taz.de Montag: Peter Unfried CHARTS