: Weder zu null noch dreistellig
RUGBY Die Frauen des FC St. Pauli verlieren das Finale um die Deutsche Meisterschaft erst in letzter Minute
Die Männer grillen und kochen, die Erste Rugby-Männermannschaft und die Nachwuchs-Jungs brüllen „St. Paulihi“: Das gilt den Frauen des FC St. Pauli, die gegen den Heidelberger RK um die Deutsche Meisterschaft spielen.
Die Schiedsrichter winken mit schwarz-rot-goldenen Fahnen, zur Begrüßung der Mannschaften erklingt nicht die Nationalhymne, sondern „Hells Bells“. St. Paulis Präsidenten Stefan Orth und Gernot Stenger, dessen Söhne in der U 8 und der U 10 Rugby spielen, sind da. Und 800 Fans, das ist viel, aber nicht Rekord. Die Älteren wissen, dass 2001 mal 1.500 Zuschauer bei einem Spiel am Millerntor waren.
Seit 1933 wird beim FC St. Pauli Rugby gespielt. Für Frauen war Rugby lange verboten. Die Frauen-Abteilung gibt es seit 1989, und sie holte seit 1995 acht Deutsche Meistertitel. Mehr werden es erst Mal nicht, denn St. Pauli verlor 19:27 (19:0). „Wir sind über uns hinaus gewachsen“, sagt Alina Stolz, die letzte Frau spielte, und manche Heidelbergerin am Schlafittchen auf den Rasen drückte. Die schönsten Rasenstücke auf dem ramponierten Feld an der Saarlandstraße stammen aus dem Millerntorstadion.
Stolz legt den zweiten Versuch der Hamburgerinnen hinter die Mallinie – fünf Punkte, es steht 12:0. Sie schafft auch die Erhöhung per Kick zwischen den Stangen durch – St. Pauli führt, kaum hat das Spiel angefangen, 14:0. Die Heidelbergerinnen, Titelverteidiger, gucken sich an und packen aus. Die Kiste mit den fiesen Tricks.
„Dass die nachtreten und nachschlagen, ist unter ihrem Niveau, und zeigt, dass sie mit so viel Gegenwehr nicht gerechnet haben“, sagt Stolz. Im Halbfinale hatte St. Pauli mit 25:17 gegen Vorjahresfinalist SC Neuenheim gewonnen. Der RK setzte sich mit 119:0 gegen Berlin durch. „Nicht zu Null und nicht dreistellig“, hatte nicht nur St. Pauli-Trainer Ralph Pankstat vor dem Finale gedacht.
In der ersten Halbzeit packen die Pauli-Spielerinnen in der Abwehr zu, laufen schnell, passen präzise. „Hammer, wie wir spielen“, sagt Pankstat. Nach 40 Minuten ist Halbzeit. St. Pauli führt 19:0. Die Rugbyspielerinnen von Deutschlands ältestem Ruderklubs sind angefressen. Das zeigt sich zu Beginn der zweiten Spielhälfte, als eine Heidelbergerin zu St. Paulis Marlene Lorenz sagt: „Jetzt verpiss’ dich doch.“ Lorenz sucht eine Kontaktlinse, Linea Zindel hat Nasenbluten und spielt ab da mit gestopfter Nase. Die Heidelbergerinnen schlagen, treffen nicht immer, aber manchmal. Die Schiedsrichterin spürt, dass sie was tun muss, und bittet die Mannschaftsführerinnen zum Gespräch. Bringt nichts, wenig später fliegt Heidelbergs Kapitänin Nina Kropp für zehn Minuten vom Platz.
Der RK holt auf, St. Pauli wird müde. „Wie lange noch?“, fragt Präsident Stenger. Zwei Minuten vor Schluss führt St. Pauli mit zwei Punkten. Die Heidelbergerinnen spüren, dass noch was geht, und drehen die Partie. Als die Spielerinnen von St. Pauli den Heidelbergerinnen gratulieren, kündigt Jahnke an: „Wir kommen wieder.“ Eine Drohung.ROGER REPPLINGER