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Archiv-Artikel

Ich wäre gern James Bond

ROLLENTAUSCH Die interessantesten Filme beim 18. Jüdischen Filmfestival Berlin und Potsdam beschäftigen sich mit der Frage, ob der moderne jüdische Mann heute noch den Macho geben muss oder ob er Alternativen hat

Es geht um den Verbleib des femininen jüdischen Mannes in der modernen jüdischen Gesellschaft

VON SUSANNE MESSMER

Auf dem Jüdischen Filmfestival Berlin und Potsdam laufen in diesem Jahr mehrere Filme, die sich Konflikte zwischen Vätern und Söhnen vorgenommen haben und fragen, wie es um den jüdischen Mann steht.

Am Anfang steht eine Feier im akademischen Milieu. Man sieht einen alten Professor, den Talmud-Forscher Eliezer Shkolnik, einen, wie man bald herausfindet, gewissenhaften Arbeiter im Garten der Wissenschaften, der sich am liebsten hinter Mikrofiche-Geräten vergräbt und doch frustriert ist, weil er seit Jahren vom Wissenschaftsbetrieb geschnitten wird.

Man sieht aber auch – in Zeitlupe – seinen Sohn Uriel, der, so wird schnell klar, einen ganz neuen Männer- und Wissenschaftstypus verkörpert: Charismatisch, attraktiv, eloquent ist er, veröffentlicht am laufenden Meter, gern auch zu populären Themen. Und während man ihn ansieht auf dieser steifen Party, wie er mit diesem und jenem plaudert, hier den Kopf nach hinten wirft und da ein wenig schäkert, hört man aus dem Off ein Gespräch zweier Unbekannter. Sie unterhalten sich bildungshuberisch bis zum Kauderwelsch, aber eines der Themen, das sie anschneiden, bleibt hängen.

Sanft und passiv

Es geht um den Verbleib des femininen jüdischen Mannes in der modernen jüdischen Gesellschaft. Wie es um den jüdischen Mann steht, um das vom Antisemitismus gern instrumentalisierte Klischee, er sei sanft und passiv, das die Jewish Gender Studies nichtsdestotrotz für sich entdeckt haben – das ist eine der vielen Fragen, von denen man sich bei einigen der interessantesten Filme des diesjährigen Filmfestivals leiten lassen kann.

„Footprints“, das raffinierte Vater-Sohn-Drama um Eliezer und Uriel Shkolnik, ist dabei einer der Filme, der zu den schillerndsten Ergebnissen kommt. Da ist zum einen der Alte, ein in sich gekehrter, schweigender, verschlossener Mann, der seinem Sohn bis zur symbolischen Kastration zusetzt, aber trotzdem irgendwie bescheiden wirkt. Da ist zum anderen der Junge, ein selbstgefälliger Macho, der seine Frau mit den Worten zurückweist, sie solle der einzigen Rolle gerecht werden, die ihr geblieben ist – nämlich der der Mutter. Auf der anderen Seite tritt er in des Vaters Fußspuren, schützt ihn bis zur Selbstaufgabe und wirkt darin wie ein großes, verletzliches Kind. Wer ist der größere Macho? Der Film zeigt diese Männer aus unterschiedlichen Epochen so vielschichtig, dass man es nicht zu sagen vermag.

Es gibt zwei weitere Filme auf dem Jüdischen Filmfestival, die die Frage nach dem harten Mann, der sich stets panzern muss, und den Alternativen, die er womöglich hat, ebenfalls zum Thema machen – allerdings auf ganz andere Art. Interessanterweise spielen diese beiden Filme ein altbekanntes Gedankenspiel durch: das des Rollentausches. In einem der beiden Filme („David“) geht es um einen kleinen arabischen Jungen in New York, der sich aus unerfindlichen Gründen ein paar Tage lang als Jude ausgibt, in einer jüdischen Clique netter, ja herzlicher jüdischer Jungs mitschwimmt und sich so für eine Weile der Strenge des Vaters zu entziehen vermag.

Im anderen („The Other Son“) geht es um eine jüdische und eine palästinensische Familie in Israel, deren fast erwachsene Söhne als Babys vertauscht wurden. Beide Filme entspringen einer kindlichen, zutiefst nachvollziehbaren Sehnsucht nach Versöhnung und enden dementsprechend märchenhaft. Sie erzählen aber auch sehr interessant von Vätern, die sich nicht öffnen können und die gebetsmühlenartig von ihren frustrierten Frauen zu hören bekommen: „Ist das alles?“ Und: „Warum sagst du denn nichts?“

In „David“ wird der arabische Vater aus der Reserve gelockt und bricht endlich in Tränen aus, als sein Sohn verschwindet – während der jüdische Vater des Freundes immer im Hintergrund bleibt und bei Tisch Zeitung liest, als Frau und Sohn plaudern. In „The Other Son“ ist der Vater auf der palästinensischen Seite ein Musiker mit weichen Zügen, der weint, als er erfährt, dass sein geliebter Sohn nicht nur nicht sein leiblicher Sohn ist, sondern auch noch Jude. Der Vater auf der jüdischen Seite dagegen ist ein hohes Tier beim Militär, der gar nicht in der Lage zu sein scheint, ein einziges Mal die Contenance zu verlieren.

Doch während sich die Väter noch stumm gegenübersitzen, verkaufen ihre Söhne schon gemeinsam Eis am Strand von Tel Aviv. Und als sie sich gemeinsam einen Sonnenuntergang ansehen, fragt Joseph Yacine, was er gern wäre, wenn er die Wahl hätte. Mit einem breiten, nonchalanten Grinsen sagt Yacine, der hübsche Palästinenser, der nach jüdischem Denken qua Geburt Jude sein müsste: „Ich wäre gern James Bond.“

■ Ab 4. Juni, Filme und Veranstaltungsorte unter: www.jffb.de