Behörden behindern Kampf gegen Neonazis

RECHTSEXTREMISMUS Bis zu 2.500 Rechte aus ganz Europa erwartet die Polizei zum „Fest der Völker“ im thüringischen Pößneck. Eine Gegenbewegung von Bürgern hat es schwer – weil die Behörden mauern

JENA taz | Jenas Schüler bemalen seit Wochen Stoffbahnen mit Anti-Nazi-Slogans. Doch die Schüler mögen noch so fleißig sein. Die Behörden wollen ihnen untersagen, die Parolen an den Häusern im thüringischen Pößneck aufzuhängen. Hier hat die NPD für Samstag ein „Fest der Völker“ angemeldet. Polizei und lokale Behörden sehen die Gefahr aber eher in den Bannern – denn die Neonazis könnten sie als Provokation auffassen und mit Brandsätzen entzünden.

In Pößneck, einem Städtchen mit 13.000 Einwohnern, wird am Wochenende ein gigantischer Aufmarsch von Neonazis aus ganz Europa erwartet. Zum vierten „Fest der Völker“ rechnet die Polizei mit bis zu 2.500 Kadern. Gegen den Auftritt mehrerer rechtsextremer Bands unter anderem aus Ungarn, Litauen und Spanien wehrt sich ein Mosaik zivilgesellschaftlicher Gruppen. Aber bei den Behörden weiß man nie, auf wessen Seite sie stehen.

Zwar hat das Landratsamt den Nazis das Treffen vergangene Woche offiziell verboten. Doch glaubt niemand daran, dass dieses Verbot vor dem Verwaltungsgericht in Gera Bestand haben wird. Die NPD hat bereits Widerspruch eingelegt. Deswegen bereiten sich Pößnecker und vor allem Jenaer Bürgerrechtler weiter darauf vor, wie sie Konzert und Demonstration am Samstag verhindern können. Mit teils grotesken Auflagen der Behörden.

Die „Meile der Demokratie“, ein Gegenfest zivilgesellschaftlicher Gruppen und Initiativen, wird immer kürzer. Sie wurde per Auflagen weg vom Aufmarschplatz der Nazis gelegt. „Wir haben das Recht, in Ruf- und Sichtweite gegen das Nazi-Konzert in Pößneck zu demonstrieren – dieses Recht wird uns scheibchenweise genommen“, sagt Wiebke Zeil, Schülerin der Jenaplan-Schule in Jena. Auch der evangelische Landesjugendkonvent ist sauer. Er wollte massenhaft Papierschiffchen gegen rechts falten – mit politischen Botschaften darauf. Aber die Boote können nun nicht in der Kotschau ausgesetzt werden, denn die Behörden sehen dies als Provokation für die Neonazis an. Sie haben die Demokratiemeile deshalb weg vom Fluss verlegt. Auch Pößnecks Bürgermeister Michael Modde (Freie Wähler) möchte kein Nazifest. Er unterstützt die Meile der Demokratie, bei der 40 Wohltätigkeitsvereine, die Kirche, Sportvereine und Aktionsnetzwerke gegen rechts auftreten werden. Aber er sagt auch: „Bei Gegendemonstrationen lehne ich jegliche Ordnungswidrigkeit ab.“ Modde will vermeiden, „dass die Neonazis meinen, wir würden undemokratisch mit ihnen umgehen“, sagt er.

Judith Dreiling von Jenas „Aktionsnetzwerk gegen Rechtsextremismus“ ist Studentin und sie hat die bisherigen „Feste der Völker“ als traumatische Erlebnisse in Erinnerung. „Du stehst da mit allen Repräsentanten der Stadt – und wirst von der Polizei eingekesselt. Gleichzeitig ziehen die Nazis lachend an dir vorbei“, erzählt sie. Ihr Schluss: „Wir müssen auch zivilen Ungehorsam zeigen.“ In Bürgermeister Moddes Terminologie bedeutet das aber: Ordnungswidrigkeit.

Das Ringen um zivilgesellschaftliches Terrain geht im Osten zäh voran, aber es kann erfolgreich sein. Dem Jenaer Aktionsnetzwerk aus kirchlichen Gruppen und Aktivisten ist es gelungen, das „Fest der Völker“ aus der Universitätsstadt Jena zu vertreiben. Die Jenaer NPD weicht daher mit ihrem Fest zum zweiten Mal auf umliegende Orte aus. Zivilen Ungehorsam dorthin zu exportieren ist nicht leicht – aber wichtig. Die Jenaer NPD braucht das „Fest der Völker“, um ihre angeschlagenen Finanzen zu sanieren. Oberstes Ziel der NPD aber ist es, ein weit über das Regionale hinausgehendes Mobilisierungsfestival zu etablieren: Der Name „Fest der Völker“ knüpft an Leni Riefenstahls Olympiafilm an, das Fest gilt in der internationalen Naziszene als Marke.

Beim „Rock für Deutschland“ kreuzten jüngst im thüringischen Gera nicht die erwarteten 1.500 Neonazis auf, sondern 4.000. Sollte am Wochenende eine solche Armee von Nationalisten in Pößneck auftreten, würde das den Protest erschweren. Die Meile der Demokratie besteht bislang nur aus ein paar Hundert Leuten. CHRISTIAN FÜLLER