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Archiv-Artikel

„Die Kinder erleben Misserfolge“

Bildung Roma-SchülerInnen müssen schnell Deutsch lernen, sagt Neuköllns Schulstadträtin

Dr. Franziska Giffey

■ 33, Sozialdemokratin, Politikwissenschaftlerin und Diplomverwaltungswirtin, ist seit September 2010 Bezirksstadträtin für Bildung, Schule, Kultur und Sport im Bezirk Neukölln.

taz: Frau Giffey, 1.400 Kinder ohne Deutschkenntnisse sind in diesem Schuljahr an Berliner Schulen gekommen, vor allem Flüchtlingskinder und solche aus neu zugezogenen Romafamilien, 180 davon in Neukölln. Wie geht der Bezirk damit um?

Franziska Giffey: Diese Zahlen der Senatsschulverwaltung beziehen sich nur auf Kinder, die besondere Kleinklassen besuchen. Insgesamt haben wir 700 neue Roma-Schüler im Bezirk, die an 31 Grund- und Oberschulen beschult werden. Es liegt bei den Schulen, ob sie die neuen SchülerInnen in den Regelunterricht eingliedern oder spezielle Lerngruppen für sie einrichten, in denen sie zunächst Deutsch lernen.

Knapp 130 neue Lehrerstellen hat die Senatsverwaltung nach eigenen Angaben dafür eingerichtet. Wie viele haben Sie bekommen?

Wir haben im Bezirk bisher vierzehn zusätzliche pädagogische Unterstützungskräfte mit rumänischen und bulgarischen Sprachkenntnissen bekommen. Diese werden in den zusätzlichen und den sogenannten temporären Lerngruppen eingesetzt, die nur für kurze Zeit und begleitend zum Regelunterricht eingerichtet werden. Außerdem wurden im Rahmen der Regelausstattung der Schulen weitere Lehrkräfte eingestellt.

Extra Lehrer für Kinder ohne Deutschkenntnisse gibt es also gar nicht?

Nur im Rahmen der normalen Stundenzumessung für zusätzliche SchülerInnen. Von den vierzehn Lehrkräften sind elf befristet eingestellt und arbeiten ohne volle Lehrbefähigung, da sie zum Beispiel ihre Ausbildung im Ausland gemacht haben. Sie werden aber trotzdem voll auf das Lehrerstundendeputat der Schulen angerechnet, an denen sie eingesetzt sind.

Das bedeutet?

Das bedeutet, dass wir die Kinder nicht so aufnehmen können, wie ich es eigentlich für ideal und notwendig halten würde: in speziellen Vorbereitungsklassen mit einem Tandem aus Lehrer und Sprachmittler, in denen sie zunächst fünf Tage die Woche nur Deutsch lernen – bis ihre Sprachkenntnisse ausreichen, um in die Regelklassen wechseln zu können. Dafür bräuchten wir aber tatsächlich zusätzliches Personal, das neben den Lehrern unterstützend als Sprach- und Kulturmittler tätig ist.

Warum halten Sie das für ideal?

Weil es darauf ankommt, dass die neuen SchülerInnen so schnell wie möglich Deutsch lernen, um dem Unterricht in der Regelklasse folgen zu können. Im Moment haben die Kinder Misserfolgserlebnisse, weil sie nichts vom Unterricht verstehen. Das schafft kein gutes Verhältnis zur Schule. Und wenn sie nur stundenweise in temporären Lerngruppen in Deutsch unterrichtet werden, dauert es noch länger, bis sie wirklich mithalten können.Interview: Alke Wierth