: Der Mode aufs Auge
Prinzip Poesiealbum, Prinzip Persiflage: Mit „Liebling“ und „Dong“ gibt es wieder zwei neue Modemagazine aus Berlin. Beim einen ist man sein eigener größter Fan, beim anderen will man die Modeindustrie verhohnepipeln
Eine Zeitung mit Berliner Bussi-Freunden sowie ein Heft von Menschen, die der Ansicht sind, dass Mode auch mal ein bisschen Humor verkraften muss: Das Portfolio der in Berlin ansässigen Mode-Periodika hat mit Liebling und Dong zwei Neuzugänge zu verbuchen. Ihre Ansätze könnten gegensätzlicher kaum sein, doch teilen beide Titel zumindest eines: Sie gehören zur Gruppe der Fanzines.
Liebling erfüllt dabei zunächst kaum eines der klassischen Fanzine-Kriterien, nicht auf den ersten Blick jedenfalls: Vierfarbdruck, eine stattliche Postergröße mit Zeitungshaptik, Anzeigen von Luxusartiklern und ein bundesweiter Vertrieb. Man könnte Liebling glatt für ein anspruchsvolles Modemagazin in etwas größenwahnsinnigem Format halten – wäre da nicht der Titel, der bereits auf die für Fanzines so wichtige Betonung der Subjektivität deutet. Und an der mangelt es Liebling wirklich nicht: In den redaktionellen Teil des Blatts schafft es bevorzugt der Freundeskreis der Redaktion oder, besser noch, sie selbst. Das alte Poesiealbums-Prinzip. So wird die Stylistin des Covermotivs mit einem Bericht über ihr Babymode-Label belohnt, der im Impressum als Moderedakteur geführte Herrenschneider darf seine eigenen Entwürfe zeigen: Bei Liebling ist man sein eigener größter Fan.
Dong zeigt sich da weit weniger selbstverliebt, und auch die Anzeigenabhängigkeit, die sich bei anderen Printmedien immer dramatischer ausweitet, wird hier umschifft: Im schwarz-weiß kopierten und zusammengetackerten Heft findet sich keine einzige Werbung, den gewonnenen Platz nehmen gekonnte Persiflagen bekannter Anzeigenmotive ein: Aus Dolce & Gabbana wird „Dong & Gaggana“, aus Miu Miu wird „Wau Wau“. Klingt ähnlich, sieht auch fast genau so aus, ist allerdings ein Seitenhieb darauf, dass in Modemagazinen die Anzeigen oft bereits den interessantesten „Inhalt“ darstellen. Nicht nur so fördert Dong eine intensivere Auseinandersetzung mit seinem Sujet als Liebling: Unter anderem druckt das Heft auch einen Auszug aus Roland Barthes’ „Die Sprache der Mode“ oder berichtet über „The Grey Sweatsuit Revolution“, eine Künstlergruppe, die Mode ad absurdum führt, indem sie das lebenslange Tragen von grauen Jogginganzügen propagiert.
Derweil bemüht sich Liebling um Trivialität, druckt Texte zu Themen wie „Alle meine Freunde sind Hunde“ und überlässt es den gefeatureten Freunden, sich in knappen Bearbeitungen des Proust’schen Standard-Fragebogens selbst zu charakterisieren. „Wie geht’s deiner Mutter?“, „Was geht noch heute Abend?“, „Turnschuhe oder Lederschuhe?“: Mehr möchte Liebling gar nicht wissen. So darf der Berliner DJ Fetisch in einem dieser Fragebögen kundtun, derzeit trage er am liebsten „alles aus der Helmut Lang 1998 Sommerkollektion“. All das wirkt wie ein verzweifeltes Manöver, das Partizipieren des gemeinen Lesers an der Stil-Avanciertheit von Liebling auch ja unmöglich zu machen.
Ganz anders Dong: Der zweiten Ausgabe liegen Aufbügellogos von Luxusmarken wie Chanel oder Louis Vuitton bei, die es im Grunde jedem erlauben, seine Garderobe aufzuwerten und im Club der Schicken mitzumischen. Ein Stück durchaus ernst gemeinter Modesozialismus. Genau diese Ambivalenz – die Liebe zur Mode einerseits und die gleichzeitige Lust, sie zu verhohnepipeln – ist es, die Dong so reizvoll macht.
Die unterschiedlichen Ausrichtungen beider Publikationen erklären sich wohl mit den Hintergründen, aus denen sie entstanden sind: Der Liebling- Herausgeber Götz Offergeld war vorher im PR-Bereich aktiv, als Geschäftsführer des Berliner Büros einer Pariser Modeagentur, die Dong-Macherin Nicole Hardt und Fotograf Axl Jansen kommen von der anderen Seite: aus Modedesign und Fotografie. Dong stellt also für seine Macher eher einen Freizeitausgleich dar. So erklärt sich dann auch der Titel ihres Hefts: Dong ist ein Punch vor die Nase der Industrie. Somit nicht zuletzt auch vor die Nase, so viel darf man unterstellen, eines Blatts wie Liebling.
JAN KEDVES
Die Magazine sind erhältlich bei Pro qm, Alte Schönhauser Str. 48 und bei Starstyling, Rosenthaler Str. 50 www.liebling-zeitung.com, www.dongmag.de