Ein Schulsenator in Schwung

BETREUUNG Ties Rabe (SPD) bewertet den flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschulen als Erfolgsgeschichte. Dass eine Bertelsmann-Studie seine Linie in Frage stellt, nimmt er gelassen

■ Auch an den Stadtteilschulen wird das Ganztagsangebot ausgebaut: 46 von 56 sollen spätestens im übernächsten Schuljahr in die Ganztagsbetreuung starten.

■ Die 60 Hamburger Gymnasien werden von der Schulbehörde aufgrund des in den Nachmittag hineinreichenden Unterrichts sowieso als „Ganztagsschulen besonderer Prägung“ eingestuft.

■ Rund 100 Millionen Euro an Investitionen in Schulgebäude und Kantinen sind vorgesehen.

Ties Rabe tut, was er am liebsten macht und wohl am besten kann: Entwicklungen im Hamburger Schulsystem als Erfolgsgeschichte zu präsentieren. Am Dienstag nahm sich der SPD-Schulsenator die flächendeckende Umwandlung der Lehranstalten zu Ganztagsschulen vor, ein Thema, bei dem er rasch ins Schwärmen gerät. „Unglaublicher Schwung, tolle Dynamik“ und „unerwartet große Akzeptanz“: Mit solchen Vokabeln pries Rabe gestern die von ihm selbst angetriebene Entwicklung.

Konkret werden ab August 44 Grundschulen ein Ganztagsangebot anbieten, im Schuljahr drauf sollen 71 weitere folgen. 197 der insgesamt 204 Grundschulen hätten dann auch nachmittags etwas zu bieten. Das Angebot ist in der Regel freiwillig, rund 45 Prozent der betroffenen Grundschulkinder sind von ihren Eltern zum kommenden Schuljahr für die Nachmittagsbetreuung angemeldet worden.

Wohl ein Grund für Rabes Begeisterung: Die flächendeckende Versorgung kostet kaum einen Euro extra, da bestehende Kita-Horte einfach an die Schulen verlagert werden. Das spart derart viel Miete ein, dass nicht – wie derzeit – 20.000, sondern bald 30.000 Kinder Hortplätze finden werden.

Dass der Ausbau der nun benötigten Schulkantinen etwas hakt – wegen allerlei rechtlicher, baulicher und hygienischer Probleme –, ficht den Senator und seine Erfolgsgeschichte nicht an: „Kluge Übergangslösungen“ mit außerschulischen Caterern seien dort gefunden worden, wo der Genehmigungsweg zur Kantine noch sehr lang sei. Gelassen bleibt er auch angesichts dessen, dass nur die wenigsten Schulen wirkliche Ganztagsschulen (GTS) sein werden – mit einer Entzerrung des Stundenplans, Erholungspausen und verpflichtendem Nachmittagsunterricht. „Wer vorrangig so die Ganztagsschule schaffen will, der kommt nicht in Gange und stirbt in Schönheit“: Das sagte Rabe gestern in Richtung derer, die sich daran stoßen, dass aus Halbtags- Ganztagsschulen werden, indem die benachbarte Kita mit aufs Gelände zieht.

Es litt indes die Rabe’sche Leistungsschau ein wenig unter schlechtem Timing: Beinahe gleichzeitig sprach sich dieser Tage die Bertelsmann-Stiftung in Berlin für mehr GTS-Schulen mit verpflichtenden Angeboten aus: Nur dort nämlich könnten „Kinder individueller gefördert werden“, wie der Bertelsmann-Vorstand Jörg Dräger berichtete. Zudem sei es einfacher, „Konzentrations- und Entspannungsphasen abzuwechseln“. Dräger war zwischen 2001 und 2008 Wissenschaftssenator in Hamburg.

Ebendort zählen solche Erkenntnisse aber nicht, wenn es nach Senator Rabe geht: Hamburgs Eltern wollten freiwillige Angebote, dass ihre Kinder nach dem Unterricht unbeschwert spielen könnten, sinnvolle Freizeitangebote und Hausaufgabenhilfe bekämen. Das zentrale Argument ist ein anderes: Flächendeckende GTS-Angebote, hat die Stiftung errechnet, kämen die Stadt jährlich rund 172 Millionen Euro teurer.  MAC