LESERINNENBRIEFE
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Lieber selbst lesen

■ betr.: „Wer dazugehört und wer nicht“, taz vom 4. 6. 12

Dem Artikel ist anzumerken, dass Du Pham das Buch nicht gelesen haben kann. Hier wurde nicht ein „antiisraelischer Sammelband“, der antisemitische Ressentiments bedient, vom Laika Verlag veröffentlicht. Es schreiben direkt Betroffene, wie Hanin Zoabi, israelische Parlamentsabgeordnete, Jamal Elshayyal, der für den Fernsehsender Al Jazeera von der „Mavi Marmara“ berichtete, Henning Mankell etc. Weiterhin schreiben angesehene Journalisten wie Gideon Levy, der israelische Historiker Ilan Pappe sowie Omar Barghouti und viele andere bekannte, angesehene Leute über die völkerrechtlichen Aspekte dieser Aktion, die neun Menschen das Leben kostete, und ihren Kontext, die Belagerung des Gazastreifens. Hier hilft mal wieder nur eins – man muss das Buch „Mitternacht auf der Mavi Marmara“ selbst lesen. MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Islamisch-deutsche Kultur

■ betr.: „Viel naiver Unsinn“, taz vom 2./3. 6. 12

Auch Daniel Bax’ Anmerkungen zu der Frage, ob denn der Islam nun zu Deutschland gehöre, tragen nur wenig zur Klärung bei. Denn abgesehen von der Evidenz der Aussage, dass auf Grund der hier lebenden Muslime auch ihre Religion heute ein Teil Deutschlands ist, besteht das Problem darin, dass die Diskussion unmerklich auf die Frage verschoben wird, ob der Islam zum Entstehen tradierter deutscher Kultur beigetragen habe. Wenn damit der Islam als Religion gemeint ist, so lassen sich für einen solchen Beitrag nur winzige Spuren finden: etwa als Absetzbewegung bei den Scholastikern und Nikolaus von Kues, in Form einer gewissen Annäherung dagegen bei Lessing und Goethe. Etwas ganz anderes ist es, wenn man unter „Islam“ die arabisch-islamische Kultur versteht, welche – das ist heute unstrittig – insbesondere im Mittelalter in vielen Bereichen einen deutlichen Beitrag zum Entstehen der europäischen und damit auch der deutschen Kultur leistete: von Astronomie, Mathematik, Physik und Philosophie über Kulturtechniken bis hin zu Literatur und gesellschaftlichen Gepflogenheiten: Kleidung, Ess- und Trinkgewohnheiten oder beispielsweise das Schachspiel. ANDREAS UNGER, Berlin

Minusrekord bei Menschenrechten

■ betr.: „Gewalt gegen Afrikaflüchtlinge in Tel Aviv“, taz v. 25. 5. 12

Israel ist für Flüchtlinge aus afrikanischen Krisengebieten ein wichtiges Ziel- und Transitland – etwa für Menschen, die aus Eritrea oder dem Sudan fliehen. Viele versuchen von dort aus weiter nach Europa zu fliehen. Andere Fluchtrouten konnte die Europäische Union erfolgreich blockieren. In Israel droht den Schutzsuchenden die Abschiebung in das Herkunftsland. Publik wurden in letzter Zeit regelmäßig Vorfälle von Misshandlungen von meist eritreischen und sudanesischen Schutzsuchenden durch Menschenhändler auf ihrem Fluchtweg nach Israel. Seit knapp zwei Jahren reißen die Berichte von Entführungen, Erpressungen, Folter und Todesfällen von Flüchtlingen im Sinai nicht ab. Schaffen es die Flüchtlinge über die Grenze nach Israel, droht ihnen dort die Inhaftierung.

Im Januar 2012 verabschiedete die israelische Regierung ein Gesetz, das die Inhaftierung von „irregulären Einwanderern“ von bis zu drei Jahren erlaubt. Das Land verfügt erst seit 2008 über ein eigenes Asylverfahren, zuvor war allein UNHCR für die Prüfung von Asylbewerbern zuständig. Eine israelische Behörde nahm ihre Arbeit erst 2009 auf. Es gibt Berichte von eklatanten Missständen im israelischen Asylverfahren. Seit Bestehen des israelischen Asylverfahrens wurde gerade einmal ein einziger Flüchtling als schutzbedürftig anerkannt. Ein Minusrekord, bei dem man an die Verantwortlichen appellieren muss, humanitäre Mindeststandards zu garantieren. CHRISTIAN SCHAUER, Alzenau

Friedenspolitik nicht mehr aktuell

■ betr.: „Atomwaffen-Abrüstung bleibt rhetorisch“, taz vom 4. 6. 12

Israel bestückt also die von Deutschland gelieferten U-Boote mit Atomwaffen. Dass dies überhaupt möglich ist, wo Deutschland doch angeblich keine Atomwaffen haben will, lässt viele Fragen offen. Und ich erinnere mich dabei an den Aufschrei von Politikern und Medien aller Richtungen (auch der taz) auf das Gedicht von Günther Grass, der auch hierauf Bezug nahm. Jeder kritisch denkende Mensch konnte diese Umrüstung voraussehen, zumal es diesbezüglich Gerüchte gab. Es werden weitere U-Boote folgen, wobei unsere Regierung nach wie vor so tut, als wüsste sie nichts davon, und stimmt der Lieferung zu, trotz des Verbotes, Waffen in Krisenregionen zu liefern. Anscheinend ist Friedenspolitik nicht mehr aktuell, was auch an der Ausweitung des Mandates für die „Piratenbekämpfung“ in Somalia zu sehen ist. ALBERT WAGNER, Bochum

Sensationsjournalismus

■ betr.: „Occupy ist ein Haufen verfickter Hippies“, taz v. 2./3. 6. 12

Ich war ziemlich überrascht über die reißerische Aufmachung des Billy-Bragg-Interviews auf der Titelseite. Habt ihr so etwas wirklich nötig? Die Titelzeile vermittelt ja doch einen sehr irreführenden Ausblick auf das Interview, wenn man bedenkt, dass der gefallene Satz im Interview selbst doch eher nebensächlich erscheint. Außerdem hat „ fucked-up hippies“ ja auch eine etwas andere, abgeschwächtere, Bedeutung als „verfickte Hippies“. Wirkt irgendwie wie provozierender Sensationsjournalismus; oder weiß ich es einfach nicht richtig einzuordnen? Enttäuschend. Name ist der Redaktion bekannt