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Archiv-Artikel

Daimler-Werk hofft auf Elektroautos

WIRTSCHAFTSKRISE Während die Berliner Elektroindustrie noch halbwegs läuft, hat die Automobilindustrie mit sehr geringer Auslastung zu kämpfen. Betriebsrat: Wir brauchen neue, fortschrittliche Produkte

Seinen Standort einmal ganz vorne zu sehen – das hat Arno Hager, der Chef der IG Metall Berlin, nie erwartet. Doch die Berliner Industrie hat im zweiten Quartal nur 5,6 Prozent an Umsatz eingebüßt, während es bundesweit 24,2 Prozent waren. „Ich bin zum ersten Mal froh, dass ich nicht in Baden-Württemberg Funktionär bin“, sagte der Gewerkschaftschef auf der Betriebsräte-Tagung, die am Dienstag in Berlin stattfand. Allein in Reutlingen gebe es momentan genauso viele Kurzarbeiter wie in ganz Berlin.

Die Situation der Berliner Industrie ist trotzdem nicht rosig. „Der Umsatzrückgang ist eine Katastrophe“, sagte Hager. Dass die Wirtschaftskrise Berlin nicht so hart treffe, habe nicht nur den viel zitierten Grund, dass Berlin praktisch ja keine Industrie habe. „Wir haben vor allem eine starke Elektroindustrie“, so Hager. Deren Spezialisierung auf Hightech rette Berlin durch die Krise. Beispielhaft nannte Hager die Gasturbinen aus dem Siemenswerk in Moabit: Die Turbinen werden mit dem selben Material beschichtet wie US-amerikanische Raumschiffe, ein Exemplar könne ganz Hamburg mit Strom versorgen. Die Branche sei durchweg von Kurzarbeit betroffen, was bisher Massenentlassung vermieden habe, so Hager.

Am schwersten von der Krise gebeutelt ist die Automobilbranche, gerade auch der Mercedes-Benz-Standort Marienfelde. Hier werden vor allem große Motoren gebaut, Spritschlucker für die Edelmarke Maybach. „Wir müssen uns aus diesem Geschäft verabschieden“, sagt Michael Rahmel, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Werks. Die Kapazität sei aktuell nicht einmal zur Hälfte ausgelastet, vier von fünf Mitarbeitern sind in Kurzarbeit. Auch die restlichen 20 Prozent arbeiteten derzeit weniger – ohne Lohnausgleich.

In einer Betriebsvereinbarung hat die IG Metall ausgehandelt, dass die Beschäftigten, die nicht in Kurzarbeit gehen, trotzdem 8,75 Prozent weniger arbeiten – und dass dafür keiner entlassen wird. „Tatsächlich arbeiten die Nicht-Kurzarbeiter aber voll“, berichtet Rahmel. Die Gewerkschaft werde jedoch darauf pochen, dass die Überstunden, die jetzt entstehen, bis zum Ende des Jahres wieder abgebaut werden.

Eine Zukunft sieht Rahmel nur dann für das Werk, sollte es den Zuschlag für den Bau von Elektromotoren bekommen. Auch der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, setzt auf Fortschritt. „Wenn Berlin seine Stärken in Forschung und Entwicklung ausbaut, können wir unsere 100.000 industriellen Arbeitsplätze halten“, sagte Wowereit auf der IG-Metall-Tagung. Vielleicht kann Berlin auch noch einen anderen Standortvorteil ausspielen: Laut Hager habe die Hauptstadt auch ganz einfach davon profitiert, dass in den alten Bundesländern Betriebe schneller pleitegegangen sind.

BASTIAN BRINKMANN