: Der letzte Mafiaboss alter Schule
Zweimal „lebenslänglich“. Das ist der Schuldspruch eines New Yorker Geschworenengerichts für Joe „Big Joey“ Massino, den ehemaligen Anführer der berüchtigten Bonnano-Familie. Massino war lange bekannt als „der letzte Don“ des organisierten Verbrechens, einer aus der alten Schule.
Jetzt sitzt Massino bis zu seinem Tod im Gefängnis – und sein früherer Ruf ist überlagert von einem anderen: Er ist der erste der großen US-Bosse, der mit der Polizei kooperiert, um sein Leben zu retten. Der Werdegang Joe Massinos, Jahrgang 1943, an die Spitze der Bonnano-Familie könnte jedem besseren Mafiafilm entnommen sein: Vom Autoräuber stieg er durch List und Brutalität bis an die Spitze auf, entledigte sich etlicher Widersacher und soll mehrfach selbst getötet haben. Die Überreste zweier seiner internen Konkurrenten wurden erst im vergangenen Jahr auf einem verlassenen Grundstück im Stadtteil Queens aus der Erde gezogen, wo Massino sie vor 20 Jahren hatte verschwinden lassen.
Wegen der sieben Morde, die ihm die New Yorker Staatsanwaltschaft zur Last legte, war Massino bereits im vergangenen Jahr zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
So bekannte Massino sich schuldig, 1982 die Ermordung Antony Mirras angeordnet zu haben, jenes Bandenmitglieds, das es ermöglicht hatte, dass der Bonnano-Clan über Jahre hinweg von innen bespitzelt worden war. Joseph Pistone hieß der Mann, der als verdeckter Ermittler in den inneren Kreis aufrückte und die Polizei mit Fakten versorgte. Sein Einschleuser, der 60-jährige Antony Mirra, war am 18. Februar 1982 in einem Parkhaus in Lower Manhattan erschossen worden. Diese Geschichte war die Grundlage für den Mafiafilm „Donnie Brosco“ mit Al Pacino und Johnny Depp in den Hauptrollen.
Jahrelang hielt sich Massino bedeckt, war allseits als Boss bekannt, ohne dass ihm je etwas hätte nachgewiesen werden können. Erst 2003 brach seine Welt zusammen – er wurde verhaftet und mit Mordanklagen belegt. Gleich acht seiner ehemaligen Leute sagten gegen ihn aus. 2004 wurde er zu lebenslänglicher Haft verurteilt, doch ein Fall blieb offen. Dieser hätte ihm doch noch die Todesstrafe einbringen können, hätte er nicht mit der Polizei kooperiert. Im Gefängnis nahm er heimlich Gespräche mit Mitgefangenen auf.
Im Verfahren nun handelten seine Anwälte ein so genanntes plea bargain aus, das in den USA zur Verkürzung von Strafverfahren durchaus üblich ist: Der Angeklagte bekennt sich schuldig, die Anklage verzichtet auf die Todesstrafe. Der zweifelhafte Glanz des letzten Don verblasst hinter Gefängnismauern. BERND PICKERT