: Kreuzberger Gewalttäter ist psychisch krank
Totschlag Nach der Enthauptung seiner Ehefrau ist Orhan S. in eine geschlossene Klinik gebracht worden. Die Polizei weist Vorwürfe von Nachbarn zurück, nach dem Notruf zu lange gebraucht zu haben
Orhan S. , der in der Nacht zu Montag seine Frau enthauptet hat, ist psychisch krank. Bei ihm sei eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden, sagte Martin Steltner, Sprecher der Berliner Strafverfolgungsbehörden, am Mittwoch der taz. Gegen den Mann sei daher kein Haftbefehl, sondern ein Unterbringungsbefehl wegen Totschlags erlassen worden. Er befinde sich jetzt im Krankenhaus des Maßregelvollzugs. Auf Totschlag steht eine Haftstrafe von maximal 15 Jahren. Bleibt es bei der medizinischen Diagnose, gilt Orhan S. jedoch nur teilweise oder gar nicht als schuldfähig. Dann würde er nicht zu einer Haftstrafe verurteilt, sondern verwahrt werden.
In der Nacht zu Montag war es in der Wohnung der achtköpfigen Familie in der Köthener Straße in Kreuzberg zu einem heftigen Streit gekommen. Der 32-jährige Orhan S. stach auf der Dachterrasse mit Messern auf seine Frau ein. Nachbarn versuchten, ihn durch Rufe zu stoppen – ohne Erfolg. Die 30-Jährige starb durch Stiche in Hals und Brust. Anschließend enthauptete und zerstückelte Orhan S. die Leiche und warf die Körperteile in den Hof. Bei der folgenden Festnahme leistete Orhan S. heftigen Widerstand. Laut Staatsanwaltschaft hat er die Tat im Wesentlichen gestanden.
Die sechs Kinder des Ehepaares im Alter von 11 Monaten bis 13 Jahren sind inzwischen in einem Heim untergebracht und werden von Traumapsychologen betreut, sagte am Mittwoch Monika Herrmann (Grüne), Familienstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg. Ob und wie viel die Kinder von der grausamen Tat mitbekommen haben, sei unklar. „Sie müssen nun erst einmal zur Ruhe kommen“, betonte Herrmann.
Die Stadträtin rechnet damit, dass die Kinder womöglich ein halbes Jahr in dem Heim bleiben werden. „So lange brauchen sie mindestens, um eine Beziehung zu den sie betreuenden Menschen aufzubauen.“ Mitarbeiter des Jugendamts hätten auch Kontakt zu Verwandten aufgenommen. Die wollten zwar Verantwortung übernehmen. Es müsse aber geprüft werden, inwiefern sie in der Lage seien, sich um die Kinder zu kümmern.
Sollten die Kinder selbst Kontakt zu ihren Verwandten haben wollen, sei das nur in Begleitung von Psychologen möglich, sagte Herrmann. Im Moment stehe im Vordergrund, die Kinder zu stabilisieren. „Wenn sie etwas gesehen oder gehört haben, werden sie diese Bilder und Schreie im Kopf haben. Was sie jetzt vor allem brauchen, ist Zeit.“
Am Dienstagabend versammelten sich im Hof des Kreuzberger Mietshauses zahlreiche Menschen, gedachten der Toten und legten Blumen nieder. Eine Nachbarin berichtete, dass die Polizei nach den Notrufen viel zu spät eingetroffen sei. Die Polizei weist diese Vorwürfe jedoch zurück. Vier Notrufe habe man protokolliert, die ersten zwei um 1.14 Uhr, einen um 1.16 Uhr und einen um 1.20 Uhr. Um 1.19 Uhr sei eine erste Funkstreife am Tatort eingetroffen, so ein Sprecher. „Die Kollegen sind sofort in die Wohnung vorgedrungen.“ Da war die Frau bereits tot.
ANTJE LANG-LENDORFF
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