: Volleyballer im Sitzen erfolgreich
Thomas Renger hat kein linkes Wadenbein. Vor sechs Jahren entdeckte er die Sportart Sitzvolleyball für sich. Am Samstag verlor er mit der deutschen Nationalmannschaft das Finale um die Europameisterschaft
LEVERKUSEN taz ■ Im Alter von sieben Jahren ging Thomas Renger aus dem westfälischen Greven regelmäßig auf den heimischen Bolzplatz. Er kickte so lange mit seiner Beinprothese, bis er wund gescheuert war. Dann spielte er auf Krücken weiter. Bei den anderen Jungs war er beliebt, weil er so einen kräftigen Schuss hatte. Er kriegte sogar manche Prothese kaputt. Später spielte er in seiner kleinen Heimatstadt recht erfolgreich Tischtennis. Auch beim 5.000-Meter-Lauf und über die Hürden war er nicht schlechter als seine nicht gehandicapten Klassenkameraden. Dem Sportlehrer in der Schule vertraute er dann seinen Berufswunsch an: Profisportler. Der Pädagoge reagierte knallhart: „Das schaffst Du nicht.“ Ein Profisportler ohne linkes Wadenbein, das ganze Bein etwa 15 Zentimeter kürzer als das rechte, wie sollte das funktionieren?
In Münster fand Renger dann immerhin einen Verein, in dem Sitzball gespielt wurde – aber der Schritt in den Behindertensport fiel ihm nicht leicht: „Bis dahin habe ich mich nicht als behindert gefühlt.“ Beim Sitzball darf der Ball ein Mal den Boden berühren. Statt Netz hängt in einem Meter Höhe eine Leine. Sitzball wird im vor allem deutschen Sprachraum gespielt, ist aber keine Disziplin bei den paralympischen Spielen. Renger war das zu wenig.
Seit 1999 spielt der Chemie- und Wirtschaftsingenieur Sitzvolleyball beim TSV Bayer Leverkusen. Das Spiel ist dem Volleyball vergleichbar – nur im Sitzen. Für seinen Sport ist Thomas Renger sogar in die Nähe von Leverkusen gezogen – der TSV ist ein Spitzenclub beim Sitzvolleyball .
Schnell wurde der 32-jährige zum Nationalspieler. 2000 war er in Sydney dabei. Die Deutschen belegten bei den Paralympics den 5. Platz. 2004 in Athen erreichte man bereits den 4. Platz. Inzwischen ist man Vizeweltmeister. Nur die letzten vier Spiele gegen den amtierenden Weltmeister Bosnien gingen verloren. Überhaupt seien viele Mannschaften aus Staaten des ehemaligen Jugoslawien besonders gefährlich. „Der Krieg macht aus guten Volleyballspielern eben sehr gute Sitzvolleyballspieler“, sagt Renger.
Aber einfach im Sitzen spielen – damit sei es auch nicht getan. Das schnelle Rutschen auf dem Hallenboden müsse jahrelang trainiert werden. Vor längerer Zeit habe es einmal ein Freundschaftsspiel zwischen den Leverkusener Volleyballern und der Sitzvolleyball-Mannschaft gegeben. Alle spielten im Sitzen. „Die Volleyballer wurden mühelos weggeputzt“, erinnert sich Renger.
Thomas Renger wünscht sich viel mehr Sitzvolleyballer: Auch Nichtbehinderte können und dürfen diesen Sport ausüben. Einer seiner Mitspieler habe sogar in der Regionalliga Fußball gespielt. Nach einer schweren Verletzung habe er so große Knieprobleme bekommen, dass er nicht mehr Fußball spielen kann. Wenn mehr Sportler nach einer Verletzung nicht resigniert aufhörten, sondern weitermachen würden, dann hätte Renger mehr Gegner: „Nichtbehinderte und Behinderte haben bei diesem Sport die gleichen Voraussetzungen. Das reizt mich.“
Mit dem Finale der Europameisterschaft am Samstag ist auch Rengers internationale Karriere zu Ende gegangen. Profisportler ist er zwar nicht geworden, aber immerhin Vizeeuropameister: Das Finale gewonnen hat denkbar knapp mit 3:2 die Auswahl Bosniens. LUTZ DEBUS