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Archiv-Artikel

Vom Pommesbaum ab in den Kariestunnel

Röstis, Waldmeisterlimo und Currywurst für sportliche Verdauer: Das 100. Festival des Sports präsentierte sich, gemeinsam mit dem Kinderfestival, als albernes Marketing- und Fress-Spektakel. Ach ja, ein bisschen Sport gab’s auch

„Jede Stunde ein neues Produkt bei uns, momentan sind es die crossen Eins-zwei-drei-Röstis. Danach könnt ihr dann die Golden Smiles probieren!“, tönt es aus den Lautsprechern. Das firmengesponserte „Cross-in Action-Event“ befindet sich gleich am Eingang des 100. „Festival des Sports“, das dieses Jahr – erstmals gemeinsam mit dem 12. Berliner Kinderfestival – im Berliner Olympiapark stattfand.

Die siebenjährige Melanie ist bereits auf den riesigen Pommesbaum geklettert und steht jetzt an für das Kroketten-Rodeoreiten. „So, wir wollen sehen, wie lange sie sich halten kann!“, ruft der Moderator ins Mikrofon, als Melanie an der Reihe ist. Alle viere von sich gestreckt versucht sie sich auf der herumbockenden Kunststoffkrokette zu halten. Bei der zweiten Schwierigkeitsstufe plumpst sie in die am Boden liegenden Luftkissen. „Super gemacht, Melanie!“, ruft der Moderator. „Zur Belohnung gibt es einen Gutschein für einen original Cross-Rösti mit Apfelmus.“ Die Veranstalter Juventus, der Verein zum Schutz für Kinder und Jugend e. V und der Deutsche Sportbund stellten von Donnerstag bis zum gestrigen Sonntag zusammen mit verschiedenen Vereinen und Verbänden über 50 verschiedene Sportarten vor.

Erste Herausforderung: die ausufernde Imbissmeile meistern. Denn die Burger, Pommes und Currywürste verlangen genauso wie die Dauerwurstwaren, die Crepes- und Waffelstände sowie die halben Meter Bratwürste einen athletischen Magen. Bei einem internationalen Brotfabrikanten wird es konkret: „Ihr müsst essen gehen. Ihr müsst für 25 Cent jetzt ein Sandwich essen“, feuert der nette Herr im Stars-and-Stripes Anzug die Jugend an.

Wer bis jetzt durchgehalten hat, kann sich auf den Spiel- und Sportplätzen umsehen. Von Tennis, Fußball, über Speedminton, einen Mix aus Squash und Badminton, bis hin zum American Football reicht das Angebot. Der Schützenverband Berlin Brandenburg e. V. wirbt auf seinem Banner mit den Sportarten Gewehr, Pistole, Wurfscheibe und Bogen. Nebenan ist ein Parcour aufgebaut, den die Besucher mit Rollstühlen bestreiten sollen, um auch mal ein Gefühl für Handicap-Sportarten zu bekommen. Wolfgang, von der Berliner Polizei, Abteilung Verkehrserziehung, betreut den Geschicklichkeitsparcour für Radfahrer. Zufrieden ist er heute nicht: „Was ich beobachtet habe, ist, dass manche Kinder motorische Probleme haben. So ne einfache Übung, aber viele können’s einfach nicht. Wie soll das im Straßenverkehr werden?“, bangt er.

Am Stand der Bundeswehr füllt ein Gruppe Jugendlicher gerade eine Teilnehmerkarte für ein Gewinnspiel aus. „Darüber hinaus kann man sich hier über Berufsausbildungen informieren“, erklärt Herr Brathuhn vom Zentrum für Nachwuchsgewinnung Ost. Vor dem Ring des Boxvereins Nord Wedding drängeln sich vor allem die Jungs. Sie sehen zu, wie die acht bis zwölfjährigen Vereinsmitglieder einander mit Helm, Zahnschutz und Wuttränen in den Augen im Ring Kinnhaken versetzen. Als auf dem Sportfeld laute Musik ertönt, springt die sieben jährige Natalie auf und stürmt mit einem schrillen „Wow“ davon, denn nebenan proben die Tänzerinnen der Cheerleader Gruppe „Poppies“ von den Spandau Bulldogs ihren Auftritt, der später auf der Bühne des Radiosenders RTL stattfinden soll. Interessierte können laut Programm unter Anleitung der Trainerin auch Workshops absolvieren und eine kleine Choreografie einstudieren. Natalie entscheidet sich aber doch lieber für einen Becher Slush Puppie, gecrushtes Eis mit Waldmeistergeschmack, vom Stand nebenan. Danach besucht sie den Kariestunnel der „Landesarbeitsgemeinschaft Berlin zur Verhütung von Zahnerkrankungen e. V.“. Hier gab’s Kariesbeläge zu besichtigen und man konnte sich anschließend zeigen lassen, wie Zähne richtig geputzt werden sollten.

SONJA FAHRENHORST