: Existenzgründung an der Tankstelle
Geringe Renditen, aber auch ein kleines Ausfallrisiko: Mikrokredite sind seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Entwicklungshilfe. Sie können die weltweite Armut verringern. Doch ihre Wirkung auf den Arbeitsmarkt bleibt begrenzt
VON KATHARINA KOUFEN
Sie wird immer wieder gerne erzählt, die Geschichte des Wirtschaftsprofessors Muhammad Yunus, der längst in den USA Karriere gemacht hatte, als er in seine Heimat Bangladesch zurückkam und sah: Hier leben Menschen, an denen sämtliche ökonomischen Theorien über Geldkreisläufe oder Unternehmensgründungen schlicht vorbeigehen. Menschen, die nicht einmal in der Lage sind, 50 Dollar Startkapital für einen Straßenstand mit Zigaretten und Kaugummi aufzutreiben oder für eine Nähmaschine.
Yunus erkannte das Problem: Armen Menschen leiht keine Bank Geld. Ihnen bleiben nur windige Verleiher mit Wucherzinsen und Schuldknechtschaft, wenn das Geld nicht pünktlich zurückgezahlt wird. Das war Mitte der 70er-Jahre, und die Geschichte endet damit, dass Yunus eine Bank zur Vergabe von Kleinkrediten gründete, die heute berühmte Grameen Bank.
Seitdem gehören Kleinkredite zum Repertoire der Entwicklungshilfe und damit zu den Instrumenten, mit denen die Millenniumsziele erreicht werden sollen – jene ehrgeizigen Pläne also, die Zahl der Armen bis 2015 zu halbieren. Um ihre Bedeutung zu betonen, hat die UNO das laufende Jahr sogar zum „Jahr der Mikrokredite“ gekürt. Vergangene Woche widmete sich in Frankfurt eine Konferenz der KfW-Bankengruppe dem Thema.
Ihr Anliegen: mehr Geld einzusammeln, um solche Banken besser mit Eigenkapital auszustatten. Entgegen früheren Vorurteilen ist die Disziplin bei der Rückgabe von Mikrokrediten außerordentlich hoch: Ausfallquoten, die in der Regel unter 5 Prozent liegen – davon können deutsche Banken, die Existenzgründer finanzieren, bei bis zu 30 Prozent Ausfällen nur träumen. Die Rendite für ausländische Geldgeber ist allerdings niedrig – 2 Prozent etwa gibt es bei der eigens gegründeten ökumenischen Bank Oikokredit. Deshalb, so Hanns-Martin Hagen von der KfW-Finanzsektorentwicklung, seien die Investoren eigentlich immer auch „ethisch motiviert“.
Die KfW-Bankengruppe, die zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den Ländern gehört, unterstützt Mikrobanken, indem sie sich am Eigenkapital beteiligt und Miteigentümerin wird. Um verstärkt private Investoren zu werben, wurden in Frankfurt zwei Strategien diskutiert: entweder noch stärker auf ethisch motivierte Fonds setzen, die mit ihrem Kapital bereits bestehende Banken in Entwicklungsländern unterstützen, oder mit dem Geld selbst Institute zu gründen, die Kleinstkredite vergeben.
Um das Geschäft gerade in ländlichen Gegenden schneller profitabel zu machen, diskutierten die rund 250 Experten in Frankfurt auch über Wege, die hohen Transaktionskosten zu senken. So würde etwa in der wenig besiedelten Mongolei das Tankstellennetz als Bankfiliale genutzt.
Was indes die entwicklungspolitischen Erwartungen in Kleinstkredite angeht, so teilen nicht alle die euphorische Einschätzung, die noch in den 90er-Jahren überwog. „Mikrokredite helfen vielen Menschen, ihre Situation zu verbessern, aber häufig nur auf einem Subsistenzniveau“, meint etwa Petra Schmidt vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn. „Sie führen in der Regel aber nicht zu Anlageinvestitionen, mit denen auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden.“
Die Zahl der absolut Armen dürfte durch mehr Mikrokredite also verringert werden und damit die Erfüllung der Millenniumsziele ein Stück weit greifbarer. Doch die nachhaltige Entwicklung eines armen Landes zu erreichen – das ist dann doch noch mal ein paar Grad schwieriger.