: Saubermann und Sisyphos
Was bewegen Abgeordnete aus dem Rheinischen im Bundestag? Die Zuwanderungsexperten Wolfgang Bosbach (CDU) aus Bergisch Gladbach und der Grüne Volker Beck aus Köln im Profil
Aus Berlin LUKAS WALLRAFF
Wolfgang Bosbach ist ein Unikum. Dem CDU-Mann aus Bergisch Gladbach ist gelungen, was in Berlin nur wenige hinkriegen: Er hat sich allseits beliebt gemacht. Immer wenn in der Unionsfraktion die Stellvertreter von Angela Merkel gewählt werden, bekommt der Rheinländer die höchste Stimmenzahl. Und obwohl Bosbach für die traditionell besonders hart umkämpfte Innenpolitik zuständig ist, gilt er auch bei den Grünen als „netter Kollege“. Bosbach wirkt für einen Spitzenpolitiker ungewöhnlich bescheiden und auf angenehm altmodische Weise redlich.
Dass ihn so viele mögen, sei „wohl weniger auf meine politische Brillanz zurückzuführen“, vermutet Bosbach, sondern darauf, dass er „freundlich und fröhlich“ sei. In seinen elf Jahren im Bundestag habe er „nicht gelogen, nicht getrickst und niemanden getäuscht.“ Ob‘s stimmt?
Vieles spricht dafür, wenig dagegen. Inzwischen ist es fast egal. Bosbachs ungetrübtes Image ist sein größter Trumpf, den er nutzen kann. Nach außen und nach innen. Mit einem Saubermann, den alle mögen und ständig wiederwählen, legt man sich besser nicht an. Der könnte ja noch was werden und Posten zu verteilen haben, wenn die Union regiert.
Gegenstück zu Otto Schily
Und bei aller Bescheidenheit: Bosbach will aufsteigen. Der 53-Jährige macht kein Geheimnis daraus, dass er nach einem Wahlsieg der Union am liebsten Innenminister werden möchte – und wenn das nicht klappt, Fraktionschef. Fit genug fühlt er sich, politisch und auch physisch. Er sei „uneingeschränkt belastbar“ – trotz Herzschrittmacher und Defillibrator. „Damit komme ich gut zurecht“, sagt Bosbach. „Objektiv hat das mit meiner Belastbarkeit nichts zu tun.“ Doch da scheint ein gewisser Zweifel mitzuschwingen. Es wäre verständlich. Denn subjektiv, aus der Sicht von Konkurrenten, könnte Bosbachs Gesundheitszustand, über den Der Spiegel berichtet hatte, durchaus ein Thema sein und angesprochen werden. Intern, versteht sich.
Entscheidend für Bosbachs Karriereaussichten dürfte jedoch sein, was eine Kanzlerin Merkel mit ihm vorhat und welche Posten die CSU beansprucht. Als Innenminister wäre Bosbach das Gegenstück zu Otto Schily. Der spielte perfekt den harten Mann einer mutmaßlich weichen rot-grünen Regierung. Bosbach wäre der sanfte Mann einer mutmaßlich härteren schwarz-gelben Regierung.
Auf die Frage nach seiner persönlichen Bilanz der letzten Jahre sagt Bosbach spontan: „Das Erfreulichste war für mich der große Konsens bei der Zuwanderung und Integration.“ Nicht nur, weil die Regierung „überraschend viele unserer Forderungen erfüllt“ habe. Bosbach ist stolz, auch bei der Union einen „Sinneswandel“ herbeigeführt zu haben. Zusammen mit Peter Müller aus dem Saarland. „Es hat sich in der Union etwas verändert“, sagt er. Man gehe mit dem Thema Einwanderung inzwischen „weniger dogmatisch, mehr pragmatisch“ um.
Trotzdem schlägt auch Bosbach bisweilen Töne an, die nach ideologischer Verbohrtheit und Zynismus klingen. So schwadronierte er anlässlich islamistischer Terroranschläge in Istanbul, diese zeigten, wie gefährlich ein EU-Beitritt der Türkei doch wäre. Heute sagt er: „Da hätte ich besser mal geschwiegen.“ Durch die unmittelbare zeitliche Nähe zu den tödlichen Bombenattentaten sei „fast zwangsläufig ein falscher Eindruck entstanden“. Ein Innenminister, der Reuegefühle äußert, wenn er dummes Zeug geredet hat? Das wäre neu.
Auch für Volker Beck. Der Grünen-Politiker saß mit Schily und Bosbach in unzähligen Verhandlungsrunden über das Zuwanderungsgesetz. Der CDU-Kollege sei „eigentlich ein Mann, bei dem man das Gefühl hat, der ist weltoffen“, sagt Beck. Trotzdem habe Bosbach „alle Forderungen von Herrn Beckstein aus Bayern nachgeplappert und vertreten“. Offensichtlich mache man eben „nur mit solchen Ansichten in der Union Karriere“.
Mit einem Innenminister Bosbach rechnet Beck trotzdem eher nicht. „Ich glaube, dass die CDU einen haben will, der lauter ist.“ Beck selbst macht gerade laut Eigenwerbung vor der Listenaufstellung der NRW-Grünen an diesem Samstag. Der 45-jährige will auf Platz zwei vorrücken und schreibt in seinem Bewerbungstext: „Nach vielen Kampfrunden mit Otto Schily und Günter Beckstein bin ich bestens gerüstet für die bevorstehende harte Auseinandersetzung.“ Es ist kein Zufall, dass Beck die Minister von SPD und CSU in einem Atemzug nennt. In gewisser Weise hat er auch in den sieben Jahren grüner Regierungsbeteiligung Oppositionspolitik gemacht. Bei der Zuwanderung stand er mit seinen Positionen oft allein gegen eine Koalition der Volksparteien.
Regierungsmaschinist
Doch das war nur eine von vielen Rollen des Volker Beck. Außer dem Zuwanderungsverhandler gab es mindestens noch zwei: Als parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion war Beck einer der effizientesten Regierungsmaschinisten. Er vermittelte zwischen den Strömungen bei den Grünen und zwischen Partei und Regierung. Und manchmal wohl auch zwischen den verschiedenen Becks.
Der moderate Linke Beck forderte früher als die Mehrheit Korrekturen an Hartz IV. Der Zuwanderungsfachmann Beck klagte, der Sinn des neuen Einwanderungsgesetzes sei in sein Gegenteil verkehrt. Viele klare Worte. Bis der Fraktionsmanager Beck am Schluss entschied, sämtliche Zugeständnisse seien doch irgendwie nötig gewesen und jetzt bitte alle Kollegen: Zustimmen! Wenn es geht, einstimmig. Und dann: Weitermachen.
Es muss ja irgendwie weitergehen. Auch nach der Wahl. Nur wie, wenn die SPD als Partner für die Grünen ausfällt? Dialektiker Beck: „Als Innen- und Rechtspolitiker bin ich naturgemäß nicht so begeistert von schwarz-grünen Perspektiven. Nur: Wenn ich den Schily so sehe, macht das ja auch keinen großen Unterschied. Die großen Volksparteien neigen nun mal dazu, durch übertriebene Härte vermeintliche Sicherheit zu vermitteln.“
Beck kämpft weiter, egal in welcher Konstellation – als Sisyphos der Grünen. Eines immerhin hat er geschafft: Auf seine erste wichtige Rolle als Vorkämpfer der Homo-Ehe reduziert ihn längst niemand mehr.