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ausgehen und rumstehenAuf der Suche nach Ägypten: Mit Verwandten Tangas anstarren und Schirme wegsperren

Am Wochenende waren meine Tante und meine Kusine zu Besuch in Berlin. Weil ich in der Nacht davor von Pharaonen geträumt hatte, schlug ich das Ägyptische Museum als Ausflugsziel vor. Im U-Bahnhof Sophie-Charlotte-Platz hing ein Plakat, auf dem Nofretete abgebildet war. Darunter stand etwas vom Potsdamer Platz. Dunkel kam mir eine Notiz aus den Nachrichten in den Sinn, dass die Büste der Nofretete irgendwo heile angekommen sei. Aber von wo? Und nach wohin?

Am Museum, das wir nach 900 Metern Fußweg erreichten, hing ein Schild mit dem Hinweis, dass es schon seit März geschlossen ist und die Ausstellung vorübergehend ins Kulturforum verlegt wurde. Da wir nun schon am Schloss Charlottenburg waren, entschieden wir, erst einmal einen schönen Spaziergang im Schlossgarten zu machen. Schon nach wenigen Metern zeigte meine Tante auf eine schwarze Gewitterwolke dicht hinter uns. Im gestreckten Trab liefen wir zum U-Bahnhof zurück. Regentropfen klatschten an die Scheiben unseres Waggons, als die U-Bahn am Nollendorfplatz einfuhr.

Von draußen hörten wir stampfende Beats und lautes Gejohle vom Christopher Street Day. Ein Mann im schwarzen Tanga drängte sich in den Wagen und blieb im Gang stehen. Die Bahn fuhr an. Meine Tante und ich glotzten mit wackelnden Köpfen auf das schwarz bekleidete Hinterteil. Meine Kusine saß uns gegenüber. Ihre Augen wanderten mehrfach zur Vorderseite und ganz schnell wieder davon weg. Als der Mann ausstieg, machte ich so eine Bemerkung im Sinne von: „Kaum kommt ihr nach Berlin, schon steigen Männer in schwarzer Unterwäsche in die U-Bahn ein.“ – „Vorne war es rot und golden bestickt“, berichtigte mich meine Kusine und deutete auf zwei weißgelockte Rentnerinnen, die gerade einstiegen: „Gehören die auch dazu?“

Die Regenwolke kam zeitgleich mit uns am Potsdamer Platz an. Der direkte Weg zu Nofretete führte uns exakt über die Route der CSD-Parade, nur in umgekehrter Richtung. Ich bahnte einen Weg durch nackte, tanzende Körper, Engelsflügel, Brautkleider, Körperschminke, Haargel und Bierbüchsen. Meine Verwandten stolperten unter einen kleinen Regenschirm gequetscht hinter mir her.

Wir erreichten das riesige Foyer des Kulturforums und kauften ganz vorne die Eintrittskarten. Eine uniformierte Frau bewachte den Eingang zur ägyptischen Hieroglyphenausstellung am anderen Ende des Foyers. Ich schlenderte mit meiner Kusine dicht vor ihr auf und ab, während meine Tante auf der Suche nach einer Toilette in der Halle umherirrte. Im unteren Gebäudeteil fanden sich auch zwei WCs, die jedoch geschlossen waren und auf den oberen Gebäudeteil verwiesen. Meine Tante kehrte von ihrer Odyssee zurück und wir hielten der Frau in der strengen Bluse unsere Karten zum Abreißen hin. „Nee“, sagte sie kopfschüttelnd und zeigte auf den Schirm meiner Tante: „Der muss eingeschlossen werden.“

„Der Schirm passt wahrscheinlich nicht in das Fach“, fügte die Wächterin an, während sie meine Verwandten beim erneuten Durchqueren der Halle aus argwöhnisch schmal geschlitzten Augen verfolgte. „Was passiert denn, wenn er nicht in das Fach passt?“, fragte ich. „Dann müssen Sie nach unten gehen und ihn an der Garderobe abgeben“, sagte die Wächterin, ohne Kusine und Tante aus den Augen zu lassen. Ich fragte mich, warum die Museumsbesucher in solchen Grenzfällen nicht gleich nach unten geschickt werden, aber der Schirm passte mit etwas Nachhilfe ins Schließfach hinein. Nofretete sah hoheitsvoll an uns vorbei. „Puh, habe ich einen Hunger“, sagte meine Kusine, „kann man hier irgendwo was essen?“

KATHARINA HEIN

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