: Die Meisterin der schwarzen Künste
ABHÖRSKANDAL Am Mittwoch beginnt der Prozess gegen die ehemalige „Sun“- und „News of the World“-Chefin Rebekah Brooks. Ihr Leben ist schon jetzt filmreif
■ Der Termin: Am Mittwoch, dem 13. Juni, beginnt der Prozess, in dem die frühere Murdoch-Verlagschefin Rebekah Brooks vor Gericht steht. Sie, ihr Mann Charlie Brooks und vier ihrer Mitarbeiter sind wegen Justizbehinderung im britischen Medienskandal angeklagt. Sie sollen unter anderem Unterlagen beseitigt haben.
■ Der Skandal: Die Boulevardzeitung News of the World, deren Chefredakteurin Brooks war, ließ über Jahre Mobiltelefone abhören, um an Informationen zu kommen. Das Blatt wurde eingestellt, aber der Skandal weitete sich immer weiter aus. Unter anderem sollen auch Redakteure der Boulevardzeitung Sun Polizisten und Beamte bestochen haben.
■ Die Angeklagte: Rebekah Brooks, Jahrgang 1968, war bereits mit 29 Jahren stellvertretende Chefredakteurin der Sun. Von 2000 bis 2003 war sie Chefredakteurin der News of the World. Bis Mitte vergangenen Jahres leitete sie Rupert Murdochs Zeitungsverlag News International.
VON STEFFEN GRIMBERG
Während des Mittelalters wurden Frauen mit roten Haaren schon mal als Hexe verbrannt. Und unter englischen Journalisten gibt es nicht eben wenige, die Rebekah Brooks ein ähnliches Schicksal wünschen. Etwas Befriedigung mögen sie nun aus dem am nächsten Mittwoch startenden Prozess gegen die ehemals mächtigste Medienfrau Großbritanniens ziehen.
Brooks, 44, ist wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Telefon-Hacking-Skandal angeklagt, der das Murdoch-Reich erschüttert. Das hört sich ziemlich piefig an für eine Frau, die vielen als die rechte und linke Hand von Rupert Murdoch gilt und bei der Politiker bis hinauf zum Premierminister genauso Schlange standen wie beim Medienmogul selbst. Sie soll – gemeinsam mit ihrem Mann und diversen Mitarbeitern – belastendes Material verschwinden haben lassen. In der Nähe ihrer Londoner Wohnung tauchten einen Tag nach ihrer Verhaftung im letzten Juli ein Computer und ein Mobiltelefon in einer Mülltonne auf.
Der Vorwurf lautet „Komplott zur Justizbehinderung“, auf Englisch: „conspiracy to pervert the course of justice“. Und um Verschwörung wie um Gerechtigkeit beziehungsweise deren Perversion geht es täglich auch in Murdochs Pressereich, in dem Stars gemacht und geschreddert, Politiker gestreichelt und gestürzt, Wahlen gewonnen und verloren werden. Allen voran bei seinen Boulevardblättern Sun und der im vergangenen Sommer wegen der Abhöraffäre eingestellten Sonntagszeitung News of the World. Bei beiden war Brooks Chefredakteurin, bei beiden will sie von der Abhör- und Hacking-Praxis nichts mitbekommen haben, in die laut den Ermittlungen mindestens 28 Mitarbeiter verwickelt waren und die 800 bis möglicherweise über 5.000 Opfer betraf.
Als sie vor drei Wochen vor die Levenson Inquiry trat, die Untersuchungskommission, die im Regierungsauftrag das Verhältnis von Politik und Presse in Großbritannien durchleuchten und Vorschläge zur Medienregulierung machen soll, wollte sie fast ein wenig schüchtern wirken. Sie trug ein schlichtes Kleid mit abgerundetem Peter-Pan-Kragen, wie es in der Kindermode der Zwanziger modern war, und stellte sich damit, wie der Guardian bemerkte, in eine Reihe mit Frauen wie Bianca Jagger und Winona Ryder, die sich vor Gericht mit diesem Kragen einen Hauch Unschuld anlegten.
Ein harter Knochen
Fast sechs Stunden lang stand Brooks den Fragenden Rede und Antwort. Verbindlich, freundlich, abwartend. Und immer wieder einschränkend, dass sie zu bestimmten Punkten aufgrund der gegen sie laufenden anderen Verfahren nichts sagen könne. Außer dass sie enge Kontakte zu Spitzenpolitikern für das Normalste der Welt hält – „wir sind schließlich Journalisten“. Und dass sie natürlich auch als Chefredakteurin der größten Boulevardtitel des Landes eines nicht hatte – Macht. Mächtig seien in Wirklichkeit nur die Leser, sagte Brooks, „sie können uns als Zeitungen jeden Tag abwählen“.
Brooks ist ein harter Knochen und weiß, dass es um ihr Überleben geht. Nicht im wortwörtlichen Sinne, obwohl auf Behinderung der Justiz auch in England schon ein paar Jahre Haft stehen können. Aber es geht um ihre Karriere, in der sie schon jetzt, mit gerade mal Mitte 40, mehr erreicht hat als die allermeisten ihrer Konkurrenten. Brooks ist keine Karrieristin, sie ist besessen – und gnadenlos gut. So gut, dass sie gleich im Anschluss an ihre Chefredaktionsposten mit 41 an die Spitze von Murdochs Londoner Zeitungsholding News International rückte. Und so gut, dass sie Murdoch-Manager als „imposter daughter“ bezeichnen; als falsche Tochter, die dem Konzernpatriarchen näher steht als die eigenen Kinder – mit denen sie natürlich befreundet ist.
Wobei Brooks die Gabe zu haben scheint, Freundschaften ganz nach Bedarf ein- und ausschalten zu können. Er habe ihr aufmunternde Grüße nach ihrem Rücktritt geschickt, sagte zum Beispiel Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair vor einer Woche bei seiner eigenen Vernehmung, und dass er eben kein „fair-weather friend“, also ein Freund nur für sonnige Tage, sei. Der amtierende Regierungschef David Cameron, der früher sogar „lots of love“ simste, tröstete auch. Allein Gordon Brown habe keine Worte des Bedauerns geschickt. Obwohl sie zunächst mit Blairs Nachfolger nebst Gattin ebenfalls auf das Freundschaftlichste verbandelt war, hatte sie als Sun-Chefin 2006 gegen den erklärten Willen der Eltern die schwere Erkrankung von Brown-Baby Fraser veröffentlicht. Jetzt deuten Ermittlungen darauf, dass auch der damalige Premierminister zu den Hacking-Opfern gehörte und die Sun andere „black arts“, schwarze Künste, anwandte, um an die Krankenakte des vier Monate alten Babys zu kommen.
Mit dem Rücktritt als News-International-Chefin im vorigen Juli endete für Brooks eine Karriere, in der Männer als Förderer eine große Rolle spielen. In die Wiege gelegt wurde ihr das weniger – der von der US-Ausgabe der Vanity Fair ausgegrabene Totenschein ihres Vaters verzeichnet diesen als „tug boat deckhand“, also als Hilfsmatrosen, der mit 50 an Leberzirrhose starb. Legendär war ihr Eintritt in den Journalismus – mit 14 soll sie sich für eine Medienkarriere entschieden haben, mit 20 tauchte sie 1988 in der Redaktion der seit langem eingestellten The Post in der englischen Industriestadt Warrington auf. „Ich werde hier mit Ihnen arbeiten“, verkündete sie dort Redakteur Graham Ball, wie der sich Jahre später in der BBC erinnerte. Der antwortete, dass das schon daran scheitern dürfte, dass er ab der kommenden Woche für das Blatt nach London gehe. „Als ich am folgenden Montag in die Londoner Redaktion kam, war sie schon da“, so Ball.
Filmrechte gesichert
Ein Jahr später fängt die junge Frau, die damals noch Rebekah Wade hieß, bei Murdochs News of the World an – als Sekretärin. Sie wird TV-Soap-Expertin des Blattes, dann stellvertretende Chefredakteurin. 1998 geht sie in gleicher Position zur Sun, 2000 kommt sie mit 31 zurück zur News of the World – als erste Chefin in der über 150-jährigen Geschichte der Zeitung. Mit 41 macht Murdoch sie zur Vorstandsvorsitzenden von News International, da hat sie eben den Pferdetrainer Charles Brooks geheiratet und ihren Mädchennamen Wade – anders als bei ihrer ersten Ehe mit dem Serienstar Ross Kemp – aufgegeben.
Ihr Leben ist heute schon filmreif – egal wie der Prozess ausgeht. US-Produzent Gene Kirkwood („Rocky“) soll sich die Rechte gesichert haben, Brooks ist selbst perfekter Boulevardstoff. Polizeizellen kennt sie spätestens von innen, seit sie 2004 ihren damaligen Gatten Ross Kemp verprügelte und Nachbarn die Polizei riefen. Jetzt erwartet das Paar ein Baby von einer Leihmutter. Seine Frau habe wohl kaum die Aussicht auf ein faires Verfahren, sagt der mit angeklagte Mr. Brooks; das Ganze erinnere ihn an eine Hexenjagd.