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Archiv-Artikel

Alt = erfahren + loyal + zuverlässig

Oma und Opa sind beileibe nicht nur Kostenfaktoren: Auch Firmen können von Senioren auf der Gehaltsliste profitieren. Wie und warum – darüber tauschten sich Fachleute bei einer Tagung der SPD in Berlin aus

BERLIN taz ■ Zur Einstimmung gab es was zum Lachen. Die SPD-Fraktion hatte zum Kongress „Altern hat Zukunft“ geladen und ging das Thema gestern locker an – mit einem Sketch der englischen Satirikertruppe Monty Python. In dem Kurzfilm drehten die Großmütter durch und schlugen junge Männer zusammen, die mit ihrer Situation in der Gesellschaft unzufrieden waren.

Der Sketch sollte auf eine ernste Fragestellung einstimmen: Wie steht es um die Rolle der Alten in Deutschland? Nach Ansicht vieler Kongressteilnehmer wird das Thema Altern in der Bundesrepublik zu negativ diskutiert. Es gehe immer nur um Krankheit und Pflege, um die Kosten der Krankheiten und die der längeren Lebenszeit. Wie ein Teilnehmer des Kongresses sagte: „In Japan spricht man vom Land des langen Lebens, und hier sagt man Vergreisung.“ Die Alten würden also nicht als wichtiger Teil der Gesellschaft wahrgenommen, sondern vor allem als Kostenfaktor.

Ziel des Kongresses war es deshalb, über die Chancen des Alterns zu reden, wie die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Gudrun Schaich-Walch, erklärte: „Wir gewinnen alle eine Lebensphase dazu, die wir aller Voraussicht nach in guter Gesundheit erleben werden.“

Die kürzlich gestellte Forderung an die ältere Generation, bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten, sei beispielsweise nicht realistisch, stellte Andreas Kruse, Vorsitzender der Altenberichtskommission, klar. Denn in Deutschland arbeiteten derzeit nur 38 Prozent der Menschen zwischen 55 und 64 Jahren überhaupt noch, in Schweden seien es dagegen fast zwei Drittel.

Einig waren sich die Experten darin, dass die Leistungsfähigkeit zwar mit fortschreitendem Alter abnehme und ältere Menschen auch nicht mehr so flexibel wie die Jüngeren seien. Aber Senioren hätten durchaus noch viel zu bieten, wovon die Wirtschaft profitieren könne: „Es kann nicht sein, dass sich in Industrie und Wirtschaft das Denken durchsetzt, dass Menschen über 55 überflüssig sind“, sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Das sei inhuman.

Was aber sind die Stärken der Älteren gegenüber den Jüngeren? Die älteren Arbeitnehmer seien loyaler und hätten ihr Leben besser unter Kontrolle, so Rolf Taubert vom Institut für Management und Organisation in Bochum. Sie hätten außerdem wegen ihrer Erfahrung eine besseren Überblick über die Arbeitsprozesse in einem Betrieb.

Deswegen forderte Wolfgang Schroeder vom Vorstand der IG Metall den Abschied vom Ideal der Jugendlichkeit. Für Betriebe sei es wichtig, eine Mischung jüngerer und älterer Mitarbeiter zu beschäftigen. Das wollten auch die Gewerkschaften fördern – etwa mit Langzeitarbeitskonten. Damit soll auch älteren Mitarbeitern das Recht auf Weiterbildung garantiert werden.

Ob jemand auch im fortgeschrittenen Alter noch eine Stelle finde, hänge auch von seinem Ausbildungsniveau ab, sagte Jutta Allmendinger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsforschung. Je schlechter ein Mensch ausgebildet sei, desto schlechter seien auch seine Chancen.

Dazu komme, dass weniger gut Ausgebildete weniger Fortbildungen besuchten. Diese seien aber für den Anschluss im Beruf unerlässlich. Deswegen müsse vorgebeugt werden, sagte Allmendinger. Nur wer als Jugendlicher gut ausgebildet werde, habe auch im Alter noch gute Chancen.

Generell stehen nach Ansicht der Soziologin die Chancen für die künftigen Alten aber gar nicht so schlecht – schließlich kann mit einiger Wahrscheinlichkeit der Bedarf an Hochqualifizierten in den nächsten Jahren nicht mehr nur mit den Absolventen gedeckt werden.

SOLVEIG WRIGHT