: SPD macht sich an Kunden ran
KONSUM Barbara Hendricks, Mitglied im SPD-Kompetenzteam, fordert ein Ministerium für Verbraucherschutz pur – um zum Beispiel besser vor Dickmachern warnen zu können
ULRIKE HÖFKEN, GRÜNE
VON HANNA GERSMANN
Die SPD will ein Verbraucherministerium pur schaffen und den Kundenschutz vom Agrarministerium abkoppeln. Barbara Hendricks ist in Frank-Walter Steinmeiers Kompetenzteam für Verbraucherfragen und Anlegerschutz zuständig. Der taz sagt sie: „Die derzeit bestehende enge Verknüpfung in einem Ressort wird beiden Bereichen nicht gerecht. Hier wird es immer Interessenkonflikte unter einem Dach geben, und damit ist am Ende niemandem geholfen.“
Hendricks – 57, ehemals Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium und derzeit SPD-Schatzmeisterin – meint, es laufe nicht gut für die Verbraucher. Ihr Beispiel: Das Hickhack um die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln. Die derzeitige CSU-Verbraucherministerin Ilse Aigner sträubt sich gegen Ampelfarben, die darauf hinweisen sollen, wie fettig, süß oder salzig Produkte sind. Dickmacher bekämen einen roten Punkt. Verbraucherschützer finden das gut. Aigner ist aber auch Agrar- und Ernährungsministerin, also für die Lebensmittelwirtschaft zuständig. Diese will keine Warnetiketten. Aigner möchte allerdings nichts wissen von Interessenkonflikten. Der Verbraucherschutz habe in den letzten vier Jahren „eine vorher nicht da gewesene Bedeutung erlangt“, sagte sie der taz.
Der Zuschnitt ihres Hauses macht allerdings die Prioritäten klar: Eine von fünf Fachabteilungen beschäftigt sich mit Kundenfragen. Sie haben gut zu tun mit irreführender Werbung, mangelhaftem Datenschutz, riskanten Bankgeschäften. Mitarbeiter kennen das Ressort oft noch als Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ursprünglich kümmerten sie sich ausschließlich um Bauern und Industrie. Erst als vor neun Jahren der Rinderwahnsinn das Land plagte, packte die Regierung den Verbraucherschutz hinzu. Die BSE-Krise hatte den SPD-Agrarminister und Bauernlobbyisten Karl-Heinz Funke, genauso wie die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer, den Job gekostet.
Fischers Parteikollegin Renate Künast wurde Ministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Fortan verkaufte diese sich als Anwältin der Verbraucher, legte zum Beispiel ein Biosiegel auf. Verbraucherschutz war populär – bis die BSE-Krise im Griff war und die Deutschen wieder Rind aßen. Aigners Vorgänger, Horst Seehofer, änderte im Jahr 2005 den Namen des Ressorts: Verbraucherschutz steht seitdem an letzter Stelle, hinter Ernährung und Landwirtschaft.
Seit mancher Lehman-Zertifikate gekauft und alles verloren hat, erklären aber Parteien jeder Couleur, sich besser zu kümmern. So weit wie die SPD, ein Verbraucherministerium pur zu versprechen, geht aber keiner.
Die Verbraucherexpertin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, etwa erklärt: „Statt Steuergelder unnötig zu vergeuden und neue Behörden zu schaffen, sollten wir lieber die Position des bestehenden Bundesverbraucherministeriums am Kabinettstisch stärken und die Kompetenzen ausweiten.“ Und Ulrike Höfken (Grüne) meint: „Dann wäre doch die Zuständigkeit für Agro-Gentechnik weg.“ Das Thema will sie nicht dem Agrarressort überlassen. Höfken: „Das Verbraucherministerium könnte insgesamt nur noch ein bisschen Aufklärung machen – das ist mir zu wenig.“ Es gehe auch darum, „Finanzströme zu lenken“. Das Agrarministerium verteilt die milliardenschweren EU-Subventionen.