: Nur ein bisschen unter den Schirm
SPANIEN Bis zu 100 Milliarden Euro aus dem EU-Rettungsfonds sollen den Bankensektor stabilisieren
■ Mit seinem BIP von 1.400 Milliarden US-$ ist Spanien die zehntgrößte Volkswirtschaft der Welt.
■ Im laufenden Jahr wird die Staatsverschuldung auf 840 Milliarden Euro wachsen, schätzt der IWF – das sind 67 Prozent des BIP. 2007 waren es nur 36 Prozent.
■ Die Wirtschaft des Landes war seit einem heftigen Einbruch in 2009 nur noch minimal gewachsen. Im laufenden Jahr schrumpft sie um etwa 0,2 Prozent.
AUS MADRID REINER WANDLER
Spanien wird zur Sanierung seiner maroden Banken ein „Rettungspaket light“ beantragen. Dies ist das Ergebnis einer fast dreistündigen Videokonferenz der 17 EU-Wirtschafts- und Finanzminister am Samstag. Bis zu 100 Milliarden Euro sollen für die Banken des südeuropäischen Landes bereitstehen, die an faulen Krediten aus der geplatzten Immobilienblase leiden. Die beantragten Hilfen werden „die Notwendigkeiten decken und einen ausreichende Sicherheitsrahmen“ umfassen“, sagte der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos. Was das genau heißt, sollen in den nächsten Wochen zwei private Beraterfirmen ausrechnen.
An der Telefonkonferenz hatte auch Christine Lagarde, Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) teilgenommen. In der Nacht zum Samstag hatte der IWF überraschend seinen Bericht zum spanischen Finanzsektor vorgelegt. Eigentlich sollte das Papier erst Montag erscheinen. Demnach braucht Spanien im besten Fall 23 Milliarden Euro, um seine Banken zu sanieren. Im schlechtesten Fall könnten es 40 Milliarden sein, das entspricht rund 4 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes.
Darin sind allerdings Kosten für Reformen oder gar die Abwicklung von Banken und Sparkassen ebenso wenig eingerechnet wie Kosten für weitere faule Kredite, die noch auftauchen könnten. „Es ist besser, den Betrag zu hoch anzusetzen, als zu niedrig“, sagt Ceyla Pazarbasioglu, die beim IWF für monetäre und Kapitalmärkte zuständig ist. Die Euro-Gruppe ist diesem Rat jetzt gefolgt.
Dabei haben nur 30 Prozent der spanischen Finanzinstitute laut IWF den Stresstest nicht bestanden. Der IWF lobte, dass die spanische Regierung die Banken dazu verpflichtet hat, immer höhere Rücklagen für die vergebenen Kredite zu bilden. „Der Kern des Finanzsystems scheint solide zu sein“, resümierte die Regierung des konservativen spanischen Präsidenten Rajoy am Samstag den IWF-Bericht. Wirtschaftsminister de Guindos muss nun die vierte – und hoffentlich endgültige – Finanzreform seiner sechsmonatigen Amtszeit vornehmen. Bereits am Freitag kündigte der Mann, der einst die Pleitebank Lehman Brothers auf der Iberischen Halbinsel vertrat, an, die Banken zu verpflichten, noch höhere Rücklagen zu bilden als bisher.
Die EU-Gelder werden an den spanischen Bankenrettungsfonds FROB ausgezahlt. Es ist das erste Mal, dass der Eurorettungsfonds gezielt nur den Bankensektor eines Landes stützt. Spanien hatte bis zum Schluss darum gepokert, nicht als gesamtes Land unter den Rettungsschirm schlüpfen zu müssen. Es ist damit nach Griechenland, Irland und Portugal der vierte Euro-Staat, der nicht mehr allein aus der Krise weiß.
■ 1,9 Billionen Euro Kredite haben Spaniens Banken vergeben, rund zwei Drittel davon für Immobilien.
■ Die Regierung fordert von den Banken, ihre Risikovorsorge um 80 auf 190 Milliarden Euro zu erhöhen. Ihre Gewinne lagen 2011 bei insgesamt 29 Milliarden Euro.
Vor allem die spanischen Sparkassen bereiten den Währungshütern Sorge. Sie wurden 2010 von der damaligen sozialistischen Regierung zu Fusionen gezwungen. Doch aus mehreren angeschlagenen Sparkassen wird kein gesundes neues Geldinstitut. Das deutlichste Beispiel ist Bankia, eine Fusion von sieben maroden Kassen um die hauptstädtische Caja Madrid. Sie allein könnte 19 Milliarden Euro brauchen. Die beiden größten Sparkassen im Verbund, die aus Madrid und die aus Valencia, haben beim Immobilienboom ganz oben mitgezockt.
Für die spanische Regierung ist das Hilfsgesuch ein schwerer Schlag. Die Konservativen hatten einen Gang nach Brüssel immer wieder ausgeschlossen. Noch vor wenigen Tagen beteuerte Rajoy: „Es wird keine Rettungsgesuch für die Banken geben.“ Deshalb versuchten die Konservativen das gesamte Wochenende, die Finanzhilfe herunterzuspielen. Spanien sei mit Griechenland, Portugal und Irland nicht vergleichbar. Schließlich müsse sich das Land als solches nicht unter den Rettungsschirm stellen und Auflagen wie Griechenland umsetzen. Freilich hat Spanien im Laufe des Jahres seinen Staatshaushalt bereits um etwa 40 Milliarden Euro zusammengestrichen. Holland, das kurz vor Wahlen steht, und dem europamüden Finnland reichte das nicht: Sie forderten, Spanien weitere Kürzungen abzuverlangen.
Jetzt warten alle gespannt auf die Reaktion der Märkte am Montag. Am Freitag hatte die Ratingagentur Fitch Spanien bereits um drei Noten abgestuft hat, Moody’s kündigte ähnliches an, falls Spanien ein Rettungsgesuch stellt. Schon jetzt muss das Land rund 6 Prozent Zinsen für neue Kredite zahlen. Zinsen ab 7 Prozent gelten Volkswirten als „Todeszone“ – solche Kredite sind für Staaten kaum noch rückzahlbar.