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Archiv-Artikel

Steuerdebatte für NRW-Grüne ohne Mehrwert

Im Streit um die Erhöhung der Mehrwertsteuer schlagen sich Nordrhein-Westfalens Grüne klar auf die Seite der Bundespartei. Die „Debatte zur Unzeit“ nutze nur der Union, klagt nicht nur Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann

DÜSSELDORF taz ■ Vor den Bundestagswahlen lehnen Nordrhein-Westfalens Grüne jede Diskussion über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab. Wer derzeit über eine höhere Mehrwertsteuer rede, erledige „das Geschäft der Union“, so Sylvia Löhrmann, Vorsitzende der grünen Landtagsfraktion, zur taz. Die Debatte komme „zur Unzeit“, sagt Löhrmann – und kritisiert damit Grüne aus Schleswig-Holstein und Hamburg: Wie die Fraktionsvorsitzende im Kieler Landtag, Anne Lütkes, hatte auch die Hamburger Grünen-Chefin Anja Hajduk gefordert, die Mehrwertsteuer anzuheben. Hajduk ist auch haushaltspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion.

Eine „sozial gestaffelte Erhöhung“ sei sinnvoll, wenn die Mehreinnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten verwandt würden, glaubt Lütkes. Einen konkreten Steuersatz nannte sie aber nicht. Auch Schleswig-Holsteins grüner Ex-Umweltminister Klaus Müller, jetzt wirtschaftspolitischer Sprecher der Kieler Landtagsfraktion, sprach von einem „ökonomisch vernünftigen Schritt“. Zur sozialen Abfederung könnte etwa der bereits ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel von derzeit sieben Prozent noch weiter abgesenkt werden, so Lütkes.

Statt Steuererhöhungen müsse die Partei über Subventionskürzungen reden, halten Nordrhein-Westfalens Grüne dagegen. Allerdings gebe es einen klaren Unterschied zwischen den Forderungen der norddeutschen Parteifreunde und der CDU. Die Union wolle mit erhöhten Steuern nur aktuelle Haushaltslöcher stopfen und vor den Wahlen Grausamkeiten für die eigene Klientel vermeiden, glaubt die Düsseldorfer Fraktionschefin Löhrmann: „Die Union will ihre eigenen Schrebergärten pflegen, denkt nicht im Traum daran, etwa die Eigenheimzulage abzuschaffen.“ Die Forderungen Lütkes‘, Hajduks und Müllers hätten dagegen auch eine sozialpolitische Komponente. Schließlich könnte die Senkung der Lohnnebenkosten eine Entlastung des Arbeitsmarkts gerade für gering Qualifizierte bedeuten.

Dennoch müssten die Grünen die Diskussion „geordnet führen“, mahnt Löhrmann. Vor den Bundestagswahlen soll sich die CDU/FDP-Opposition mit Forderungen nach höheren Steuern unbeliebt machen, findet auch die Parteiführung der NRW-Grünen. Zwar wollten sich die Parteichefs Britta Haßelmann und Frithjof Schmidt nicht offiziell äußern. In der Düsseldorfer Parteizentrale aber war von einer „unsinnigen Debatte, die uns nur schadet“, die Rede. In der Mehrwertsteuerdiskussion sei auch die grüne Parteilinke „extrem zerstritten“. Sinnvoll sei eine Diskussion erst „gegen Ende des Jahres“, betont auch Löhrmann.

Die NRW-Grünen dürften sich damit gegen die Norddeutschen durchsetzen – Bundesparteichef Reinhard Bütikofer hatte jede Mehrwertsteuererhöhung noch am Montag kategorisch abgelehnt. Dennoch könnte das Thema auf der grünen Bundesversammlung am übernächsten Wochenende für Zündstoff sorgen, ahnt auch Löhrmann: „Wir werden das in Berlin besprechen.“ ANDREAS WYPUTTA