Mauerkreuze vor dem Fall

Die „Kunstinstallation“ am Checkpoint Charlie soll am kommenden Dienstag geräumt werden. Alexandra Hildebrandt will auf wilde Protestaktionen verzichten – und sammelt jetzt Geld

VON PHILIPP GESSLER

Die Abrissbirnen pendeln schon in Vorfreude vor sich hin – am kommenden Dienstag, morgens um 4.01 Uhr, will der Obergerichtsvollzieher die Bagger sprechen und die 1.065 Holzkreuze am Checkpoint Charlie abreißen lassen. Damit fände die umstrittenste „Kunstinstallation“ der Stadt ihr Ende. Zurück bliebe eine Brache an einer Haupteinkaufsstraße inmitten der Stadt.

In Mauermuseum „Haus am Checkpoint Charlie“ erläuterte die Museumschefin Alexandra Hildebrandt die schier ausweglose Situation für die Mauerkreuze, die an die Toten der innerdeutschen Grenze erinnern sollen. Nach Aussage Hildebrandts habe es erstmals in der vergangenen Woche einen konkreten Preis in Höhe von 36 Millionen Euro für das 7.000 Quadratmeter große Areal an der Ecke Friedrich-/Zimmerstraße gegeben. Die Bankaktiengesellschaft (BAG) Hamm verwaltet dieses Grundstück, das ursprünglich einem Investor gehörte, der allerdings Pleite ging. Auf dem Grundstück liegt eine hohe Grundschuld von ursprünglich 45 Millionen Euro, die die BAG auch noch von den Betreibern des Museums für den Kauf des Areals verlangt hatte. Mittlerweile ist die Summe auf 36 Millionen gesunken – was etwas der Aussage widerspricht, wonach es erstmals vergangene Woche ein konkretes Angebot der Bank gegeben habe.

Hildebrandt jedenfalls ist klar, dass sie das Geld bis Dienstag kommender Woche nicht zusammenbekommen wird. Sie erklärte, das Museum könne nicht mehr aufbringen als die monatlich 14.500 Euro, die derzeit als eine Pseudo-Pacht an die BAG fließen – denn eigentlich hat die Zwangsverwalterin den Pachtvertrag schon im vergangenen Oktober gekündigt. Ihre Hoffnung richtet Hildebrandt darauf, dass sich vielleicht bis kurz vor Beginn der Abrissarbeiten noch eine namhafte Summe sammeln lasse. Damit ließe sich „ziemlich sicher“ die Bank überzeugen, den Abriss zunächst zu verschieben. „Wenn wir 1 Million Euro vorlegen können, dann wird vielleicht eine Verschiebung möglich sein“, erklärte sie.

Politische Unterstützung erhält Hildebrandt bisher nur durch die Union. Der CDU-Bundesgeschäftsführer Johannes von Thadden habe zugesichert, sich für das Mahnmal einzusetzen. Die Senatsverwaltungen für Kultur und für Bauen stehen der „Kunstinstallation“ sehr kritisch gegenüber. Im jüngst veröffentlichten Konzept von Kultursenator Thomas Flierl (PDS) zum Mauergedenken in der Hauptstadt ist für den früheren Alliierten-Grenzübergang ein Gedenkort für die Ost-West-Konfrontation des Kalten Krieges vorgesehen. Hildebrandt warf der rot-roten Koalition erneut vor, aus ideologischen Gründen gegen die Mauerkreuze zu sein.

Die BAG war gestern nicht zu einer Stellungnahme bereit, erklärte aber, dass sie nach ihrer heutigen Hauptversammlung eine Erklärung zum Checkpoint Charlie veröffentlichen werde. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jochen Feilcke, der im Auftrag Hildebrandts nun Geld zum Kauf des Grundstücks sammeln soll, sagte, die BAG habe in einem Verkaufsgespräch sinngemäß geäußert: „Völlig egal, an wen wir verkaufen – wir wollen Geld.“

Was passiert nun am Dienstag? Hildebrandt kündigte an, sie werde zwar bei der angekündigten Räumung des Geländes anwesend sein – einen Hungerstreik dagegen wolle sie jedoch nicht beginnen. Auch zu einer Demonstration gegen die Räumung wollte sie nicht aufrufen.

Unklar blieb gestern noch, was nach einem möglichen Abriss der Kreuze mit dem Grundstück passieren könnte. Hildebrandt sagte einerseits, dass man dann die Kreuze wieder aufrichten werde. Andererseits sprach sie sich dafür aus, dort auch der Toten der Aufstände in Ungarn 1956 und Prag 1968 zu gedenken. Feilcke wiederum erklärte: „Wir wollen, dass der historische Standort auch in Zukunft als Mahnmal für transatlantische Freundschaft erhalten bleibt.“

inland SEITE 6