: SPD Xhain zerlegt sich selbst
Der Kreisvorstand der SPD Friedrichshain-Kreuzberg ist zurückgetreten. Der Grund: Die Nominierung ihres Direktkandidaten für den Bundestag sei mit Hilfe von Postengeschacher entschieden worden
VON MATTHIAS LOHREUND SABINE AM ORDE
Zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl eskaliert der Streit in einem wichtigen SPD-Kreisverband: Am Montag ist der gesamte Kreisvorstand der SPD Friedrichshain-Kreuzberg zurückgetreten. Das geht aus einem Brief der bisherigen sechs Vorstandsmitglieder an die Parteimitglieder hervor, der der taz vorliegt.
Die Begründung: die Aufstellung des Direktkandidaten für die Bundestagswahl. „Die Bundestagsnominierung war auf sachfremde Weise mit einem umfassenden Personalpaket verbunden, das die nächste BVV-Liste bis in die hinteren Ränge sowie Zugriffe auf die Mandate für das Abgeordnetenhaus umfasst“, schreiben die Vorstandsmitglieder in ihrem Brief. Im Klartext heißt das: Vor der Nominierung habe es ein reges Posten- und Mehrheitengeschacher gegeben, bei dem es auch um die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und der Bezirksverordnetenversammlung im Jahr 2006 gegangen sei.
Der SPD-Kreisverband hatte am vergangenen Donnerstag den türkischstämmigen Ahmet Iyidirli zum Direktkandidaten für den Bundestag gekürt, er wird gegen den Grünen Christian Ströbele und die PDS-Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer ins Rennen ziehen.
Iyidirli setzte sich bereits im ersten Wahlgang mit 53 Prozent der Stimmen gegen drei GegenkandidatInnen durch. Einer von ihnen war der bisherige Kreisvorsitzende Mark Rackles. Iyidirli kann die Aufregung nicht verstehen. Es habe im Vorfeld der Nominierung eine „ganz normale Personaldiskussion“ gegeben, sagte er der taz. Diese Personaldebatte habe der Kreisvorstand selbst angestoßen. „Das sind schlechte Verlierer“, so Iyidirlis Urteil. Die Reaktion des Kreisvorstands sei „übertrieben und unsolidarisch“.
Das sieht der zurückgetretene Vorstand um Kreischef Rackles anders. Statt einer ganz normalen Personaldiskussion spricht er in seinem Brief von einem „Vertrauensentzug“, der „völlig wortlos und ohne direkte Kommunikation mit uns vollzogen wurde“. Darüber hinaus wollte sich Rackles im Gespräch mit der taz nicht äußern.
KritikerInnen des bisherigen Kreisvorstands geben die Vorwürfe von Rackles & Co. zurück. Aus ihrer Sicht hat sich der bisherige Kreischef zu wenig um die Belange der Partei-Basis gekümmert. Rackles ist auch Sprecher der Berliner SPD-Linken und arbeitet im Europapolitik-Referat der Senatskanzlei. Stefan Zackenfels, von 1999 bis 2002 selbst Kreisvorsitzender und seit Ende 2001 für die SPD im Abgeordnetenhaus, urteilt: „Der Kreisvorstand hat sich selbst ins Abseits manövriert. Daraus hat er jetzt lediglich die Konsequenzen gezogen.“
„Bedauerlich“ findet Parteisprecher Hannes Hönemann den Rücktritt des Kreisvorstands. „Besonders vor dem Hintergrund, dass er im Wahlkampf dringend gebraucht wird.“ Mehr wollte Hönemann nicht sagen. Nur so viel: Jetzt müsse schnell ein neuer Vorstand gewählt werden. Ein Termin dafür steht aber noch nicht fest.