: Frauenquote in Oslo wird Gesetz
Freiwillig haben die norwegischen Unternehmen die Gleichberechtigung in ihren Aufsichtsräten nicht hinbekommen. Demnächst müssen sie mit Sanktionen rechnen
OSLO taz ■ Die Schonfrist ist vorbei. Drei Jahre hatte das norwegische Parlament den börsennotierten Aktiengesellschaften (AGs) Zeit gegeben, freiwillig dafür zu sorgen, dass in ihren Aufsichtsräten 40 Prozent Frauen sitzen. Diese haben das Ziel nicht erreicht. Nun soll ein Quotengesetz greifen, das damals gleich mitformuliert worden war. In letzter Konsequenz droht es AGs sogar mit Zwangsauflösung.
22 Prozent beträgt der Frauenanteil in den norwegischen Aufsichtsräten im Durchschnitt, bei den 500 großen AGs, auf die das Gesetz hauptsächlich zielt, sind es 16 Prozent. Dass noch mehr möglich wäre, zeigen etwa der Ölmulti Statoil, die Telecomgesellschaft Telenor und der Schibsted-Verlag: Sie haben die 40-Prozent-Hürde längst genommen. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 waren nur 6 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in Norwegen Frauen.
Im Vergleich steht das Land damit sehr gut da: In den Aufsichtsräten der 200 größten europäischen Unternehmen sitzen nur 8 Prozent Frauen, zeigt eine Studie des Europäischen Netzwerks berufstätiger Frauen. Nur Schweden kann einigermaßen mit Norwegen mithalten: Hier ist jeder fünfte Aufsichtsratsplatz mit einer Frau besetzt. In Deutschland ist es jeder zehnte, in der Schweiz jeder elfte und in Dänemark nur jeder fünfundzwanzigste. Die Eidgenossen basteln nun ebenso wie die Schweden und die Dänen an Gesetzen, mit denen sie den Anteil in den nächsten fünf Jahren steigern wollen.
In Deutschland geben lediglich einige Landesgesetze wie das Berliner LGG vor, dass zumindest Aufsichtsräte in Landesunternehmen geschlechterparitätisch zu besetzen seien – bislang allerdings ohne Sanktionsmöglichkeiten.
Der norwegischen Regierung verläuft die Steigerung in ihrem Land jedoch zu langsam: Immer noch ist rund die Hälfte der Aufsichtsräte rein männlich besetzt. Am Stichtag 1. Juli, also am Freitag, werden nach einer Statistik des Center of Corporate Diversity in Oslo rund 700 Frauen in den Aufsichtsratssesseln fehlen, um die Zwangsquotierung verhindern zu können. Das Gesetz tritt deshalb planmäßig am 2. September in Kraft.
Danach gilt zunächst wieder eine Übergangsfrist: Alle Gesellschaften haben zwei Jahre Zeit, die neuen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Danach verstoßen sie gegen das Aktienrecht, das schon jetzt beispielsweise eine Pflicht zur Repräsentation der Belegschaft vorschreibt – und bis dahin eben die Vorschrift auf eine 40-prozentige Repräsentation jeden Geschlechts enthalten wird. Einzige Sanktionsmöglichkeit bei Verstößen wäre nach dem bisherigen Gesetzestext eine Zwangsauflösung.
Allerdings scheint Wirtschaftsminister Børge Brende in den letzten Tagen kalte Füße bekommen zu haben: Dass es dabei bleibe, sagte er, sei „wohl so nicht realistisch“. Und Karita Orheim, Sprecherin für Gleichstellungsfragen bei den oppositionellen Sozialdemokraten, die gute Chancen haben, nach der Parlamentswahl im September die Regierung zu übernehmen, erklärte: „Eine Auflösung ist der schwerste Eingriff in das Eigentumsrecht. Wir müssen den Gesetzestext wohl noch einmal gründlich überarbeiten.“
Offenbar hatte weder in der Politik noch in der Wirtschaft jemand damit gerechnet, dass es so langsam gehen würde, den Frauenanteil zu verbessern. Selbst der Arbeitgeberverband hatte für Ende des vergangenen Jahres schon 25 Prozent für „realistisch“ gehalten.
Dabei hatten seit 1995 verschiedene Regierungen an Quotengesetzen gefeilt, die nach Versprechungen der Wirtschaft immer wieder beiseite gelegt worden waren – bis dann ausgerechnet eine christdemokratische Regierung Ernst machte. Familienministerin Laila Dåvøy bei der Verabschiedung: „Bei dem freiwillig vorgelegten Tempo dauert es sonst noch 33 Jahre. Das ist uns zu lange.“ REINHARD WOLFF