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Archiv-Artikel

„Erlösung“ ist Totschlag

URTEIL Ein 26-Jähriger muss für drei Jahre hinter Gitter, weil er seine im Koma liegende Mutter getötet hat

„Eine gerechte Strafe zu finden, ist sehr schwierig“

RALF-MICHAEL POLOMSKI, RICHTER

Zu einer dreijährigen Haftstrafe hat das Braunschweiger Landgericht am Dienstag einen 26-Jährigen verurteilt, der seine seit sieben Jahren im Wachkoma liegende Mutter getötet hat. Das Gericht erkannte wegen der außergewöhnlichen Umstände auf Totschlag in einem minderschweren Fall. „Eine gerechte Strafe zu finden, ist sehr schwierig. Hier ist über ein Unglück zu urteilen“, sagte der Vorsitzende Richter Ralf-Michael Polomski.

Nach einem Reitunfall der Mutter im Jahr 2004 sei das Leben aller Beteiligten nie wieder wie zuvor geworden, sagte der Richter. Die 48-Jährige hatte schwere Hirnverletzungen erlitten, war nicht mehr ansprechbar. Die seelischen und finanziellen Belastungen seien hart zu tragen gewesen. „Aber darf man das Recht in die eigenen Hände nehmen?“, fragte Polomski.

Der Angeklagte hatte das Urteil fast regungslos hingenommen. Zum Prozessauftakt hatte er gesagt: „Ich wollte Mama erlösen.“ Nach Gesprächen mit dem Heim, der Betreuerin seiner Mutter und mit seinem Stiefvater habe er die Tat als einzigen Ausweg gesehen.

„Es ist kein Fall von Sterbehilfe“, stellte Polomski klar. Die Frau habe zwar vollständig ihr Bewusstsein verloren, und die Ärzte seien nicht mehr von einer Besserung ausgegangen. Dennoch hätte sie noch lange leben können. Als Alternative zur Tötung hätte der 26-Jährige einen Antrag auf einen neuen Betreuer seiner Mutter stellen können.

Auf Totschlag steht eine Haftstrafe von fünf bis 15 Jahren. Im minderschweren Fall sieht das Gesetz ein bis zehn Jahre Haft vor, damit wäre Bewährung möglich. „Bewährung wäre das falsche Signal“, sagte Polomski. Der Angeklagte habe die Tötung geplant und gewusst, dass er sich strafbar macht. (dpa)