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Archiv-Artikel

An der Donau, an der Spree

URBANITÄT In der Ausstellung „Cityscapes“ im Kunstquartier Bethanien erforschen zehn Künstler die Entwicklung von Berlin und von Budapest

Oft ist es der Fantasie des Spielers vorbehalten, in welcher Stadt er sich bewegt

Eine überdimensionale Verkehrsampel in der Eingangshalle leuchtet gleichzeitig rot, gelb und grün und sendet dem Besucher der Ausstellung „Cityscapes“ im Kunstquartier Bethanien somit widersprüchliche Signale. Damit spricht der ungarische Künstler Gábor Ehrlich die Probleme in der städtebaulichen Entwicklung in Budapest an. Denn die einst sehr intensive Entwicklung der Metropole scheint in den letzten Jahren ins Stocken gekommen zu sein. Masterpläne von neuen Brücken blieben unrealisiert, eine vierte U-Bahn-Linie wird seit Jahren gebaut und nie fertiggestellt. Die angekündigten und unvollendeten Bauprojekte lassen die Bewohner orientierungslos wie den Fahrer vor einer dysfunktionalen Ampel.

Im dunklen Zimmer nebenan sind Szenen des städtischen Lebens in Budapest an die Wand projiziert. Gemeinsam verarbeiten darin Sebastian Seitz und Nadija Milenkovic die Eindrücke ihres Budapest-Besuchs. Die Abbildungen von Häuserecken, Interaktionen auf dem Markt oder im Park könnten genauso gut aus Berlin stammen. Der urbane Alltag erscheint auf eine universelle Ebene gehoben, im Spiel vom Licht und Schatten.

Mit jenem Alltag, mit der permanenten Veränderung urbaner Strukturen beschäftigen sich zehn Künstler aus Berlin und Budapest in der Ausstellung „Cityscapes“. Sie ist das Ergebnis des Projekts „Urban Spaces Berlin-Budapest“, das als Gemeinschaftsarbeit und mit viel Herzblut von fünf deutschen und ungarischen Kunstgeschichtsstudentinnen der Freien Universität, Bea Istvanko, Johanna Klapproth, Nora Malles, Krisztina Hunya und Linda Olenburg, konzipiert wurde. Ihr Ziel war, das Thema Urbanität mit Identität zu verbinden und sich selbst mit der eigenen Wahrnehmung von Räumlichkeiten und der Stadt auseinanderzusetzen. Einen besonderen Aspekt bot da der Vergleich der Entwicklung des Stadtbilds und der Kunstszene in den beiden Städten Berlin und Budapest. Alle zehn Künstler treten mit ihren Städten in einen Dialog, Erinnerungen und Alltag verschmelzen, und eine gesamturbane Landschaft entsteht.

Dabei sind auch Werke entstanden, die stark wirken, etwa die Fotoserie „Zittern“ der jungen ungarischen Künstlerin Zsuzsanna Simon. Fünf große Fotos zeigen scheinbar belanglose Orte wie Bushaltestellen oder Details eines Parks, dunkel, punktuell beleuchtet, so dass bereits beim Zuschauen ein leichtes Unbehagen entsteht. Unter den Bildern erklärt jeweils ein Polizeibericht, wie an diesen Orten Frauen und junge Mädchen nachts vergewaltigt worden sind. Die Leere der fotografierten Orte, sowie der Kontrast zwischen den sachlichen Erklärungen und dem Leid, das den Opfern zugefügt worden ist, erzeugen einen schockierenden Effekt und lassen die Geschehnisse vor dem inneren Auge des Zuschauers ablaufen.

Auf eine andere Art bietet Loránd Széchenyi-Nagy der Vorstellungskraft Freiraum. Der ungarische Künstler programmierte ein Computerspiel über seine Heimatstadt Budapest. In dieser interaktiven Computerinstallation kann der Besucher mit einer Steuerung durch eine imaginäre Stadtlandschaft reisen und gleichzeitig Klänge hören, zum Beispiel Vogelgezwitscher, Wassergeplätscher, Autolärm. Oft ist es aber der Fantasie des Spielers vorbehalten, welche Geräusche er hört und ob er in den Bildern Stadtlandschaften aus Budapest oder doch aus Berlin erkennt.

ANNA FRENYO

■ „Cityscapes“. Kunstquartier Bethanien, Mariannenplatz 2, Mi.–So. 14–19 Uhr, bis 24. Juni