Die Symbolik des Parteivorsitzenden

Eine missglückte Regie mit unnötigen Niederlagen macht Hamburgs SPD-Vorsitzenden Mathias Petersen zum Verlierer des Landesparteitages. Nebenbei wurde eine Liste für die Bundestagswahl aufgestellt, deren Bedeutung fragwürdig ist

„Die Stimmung hier im Saal ist ja eindeutig“

Von Sven-Michael Veit

Das war nicht der Parteitag des Mathias Petersen. Es war auch nicht der Parteitag des sozialdemokratischen Aufbruchs. Erleichterung, weil das Leiden bald vorbei sein dürfte, war die vorherrschende Stimmung unter den 339 SPD-Delegierten auf dem Landesparteitag am Dienstagabend. Und hätten nicht zwei altgediente Genossen sich ein eitles Scharmützel um den ersten Platz auf der Liste geliefert, und hätte nicht der Parteichef selbst eine unglückliche Figur abgegeben, es wäre eine rasch und zu Recht vergessene Alibi-Veranstaltung gewesen.

So aber werden sie sich erinnern, die Hamburger SozialdemokratInnen, an jenen lauen Sommerabend im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Sie werden sich daran erinnern, wenn es nach der Bundestagswahl auf dem nächsten Parteitag Ende Oktober Falsches und Richtiges zu analysieren und zu bewerten gilt. Und sie werden es nicht vergessen haben, wenn im Mai nächsten Jahres der Chefposten an der Parteispitze wieder zu besetzen und damit eine Vorentscheidung zu treffen ist über die Person, die im Februar 2008 bei der Bürgerschaftswahl siegen soll.

Fraglich, dass es Mathias Petersen sein wird, der Arzt und Bürgerschaftsabgeordnete, der seit 19. Juni vorigen Jahres als „Kandidat der Basis“ gegen den Favoriten des Landesvorstands zum Parteichef avancierte. Die Kampfkandidatur der Alt-Bürgermeister Ortwin Runde (61) und Hans-Ulrich Klose (68) um Listenplatz 1 hat er nicht verhindert. Mit einer Liste, die Klose als Spitzenkandidat vorsah, war Petersen am Montagabend in den Landesvorstand gegangen in dem Wissen, zu unterliegen: Das Gremium nominierte Runde. Warum der Parteichef sich sehenden Auges eine Abfuhr abholte, bleibt sein Geheimnis.

In Wilhelmsburg obsiegte Runde mit 206 zu 126 Stimmen klar über Klose, aber das nur nebenbei. Schließlich ist diese Liste ja „letztlich nur ein symbolischer Akt“, hatte Petersen die Versammlung einleitend motiviert. Wirklich gebraucht würde sie nicht, weil die SPD ja wieder „alle sechs Direktmandate in den Wahlkreisen gewinnen wird“. Alle im Saal wussten, dass nicht mal der Parteichef das glaubt.

Alle im Saal wussten auch, dass der Grandseigneur aus Harburg es für unter seiner Würde erachten werde, auf einem hinteren Platz zu kandidieren. Rang 5 hatte der Parteivorstand für Klose vorgesehen, und als jener aufgerufen wurde, bedankte dieser sich auf seine Art: „Ich weiß nicht, ob das gut wäre für die Partei, für mich ist es das nicht.“

Gelegenheit für Petersen, Führungsstärke zu demonstrieren. Christian Carstensen, Direktkandidat im wackeligen Wahlkreis Nord, solle von 7 auf 5 vorrücken, schlug er vor und wurde zurückgeschlagen. „Typisch männliches Denken“, attestierte ihm erregt die Abgeordnete Doris Mandel. Hätte eine Frau ihre Kandidatur zurückgezogen, mutmaßte sie, „wäre dieser Vorschlag anders herum nicht gekommen“. Selbstverständlich müsse Christel Oldenburg von Platz 6 einen vor rücken, statt einen anderen Mann vorgesetzt zu bekommen.

Er sei „ganz der Meinung von Doris“, beschwichtigte Petersen eilig, zudem sei „die Stimmung hier im Saal ja eindeutig“. Oldenburg trat zur Bewerbungsrede ans Rednerpult, neben ihr am Präsidiumstisch saß ein bemüht lächelnder Parteichef, der sich gerade eine überflüssige öffentliche Klatsche abgeholt hatte.

„Wäre schon schön“, raunt ein Genosse, wenn der Parteichef „mehr den Überblick hätte“. Geschadet habe die wenig überzeugende Parteitagsregie ihm nicht, befindet ein anderer, „aber gestärkt hat es Mathias auch nicht“.

Auch nicht, dass der Rest problemlos durchgestimmt wurde. Parteivize Dorothee Stapelfeldt, Ex-Parteichef Olaf Scholz und Ex-HWP-Chefin Dorothee Bittscheidt auf den Rängen 2 bis 4, dann Oldenburg vor Carstensen und weiter bis Platz 12. Ging alles glatt auf den hinteren Plätzen.

War ja auch nur symbolisch.