ES GEHT UM DIE WURST : Alles, nur kein Bio
Immer, wenn ich „meine“ Fleischerei betrete, und ich komme gleich dran, bin ich fast traurig. Denn hier bereitet das Schlangestehen pure Freude.
Das liegt zum einen an der prima Stimmung, die die immer adretten und stets topgelaunten Damen über die Theke verströmen. „Das Entrecôte ist heut richtich schicki, wollt es selbst kaum glauben.“ Wurstangebot und Dekoration wurden seit ein paar Generationen nicht groß verändert. Warum auch? Hier wird traditionell nicht mit Geschmacksverstärker oder Konservierungsmittel experimentiert. „Bio geht hier nicht. Aber wissen Se, es gibt ja auch Massentierhaltung und Massentierhaltung.“ Die anderen Kunden haben sich ihr Schnitzel genauso redlich verdient wie ich, aber die besseren Sprüche in petto. „Ich hätt gern zwei Halbe mit Bauarbeitermarmelade.“ Was könnte das wohl am ehesten sein? Komme nicht drauf. „Dat is Hackepeter.“ Na logo! Anfangs wusste ich Nordlicht ja noch nicht mal, was das ist. Bin mit „Mett, halb und halb“ großgeworden. Auf meine Frage, warum es eigentlich in ganz Berlin keinen Katenschinken zu kaufen gibt, ist die Antwort einleuchtend: „Weil det hier so wenig Katen jibt.“ Die beiden jungen Männer vom Sicherheitsdienst, die auch bei Minusgraden im T-Shirt in den Laden kommen, den Revolver gut sichtbar am strammen Hosenbund, hätten gern ein paar Scheiben „toten Opa“ auf die Schrippe. In meinen Augen ist das ganz normale Blutwurst. „Oder hieß das ‚tote Oma‘ “? „Nee, die Oma ham wa leben jelassen.“ Besonders schätze ich die Gespräche über die korrekte Zubereitung, in die sich auch die anderen Kunden einklinken. Für den Wruckeneintopf sollte es eine nicht ganz so fette Scheibe Bein sein: „Fett ist doch Geschmacksträger!“ Ich ordere noch hundert Gramm Schlackwurst, von der harten, nicht so dick geschnitten, und freue mich schon aufs nächste Mal.
SYLVIA PRAHL